Mittwoch, 28. April 2010

Hong Kong: Tableaus aus der Stadt, die noch nicht schläft








April 17th, Nathan- Road, Ecke Carnary Road, Kowloon; Hong Kong


Last night in Hong Kong!


Nach Mitternacht kaufe ich Joghurt und Bier bei Seven Eleven, der thailändischen Ladenkette, die bald ganz Asien erobert haben wird. Die beiden Dosen stellt die junge Frau auf den Tresen, gleich neben den Joghurt. Plastiktüten gibt es in Hong Kong nicht mehr. Diese Stadt ist im 21. Jahrhundert angekommen.


In den Straßen kriechen Luxuskarossen von BMW, Mercedes, Landrover, Jaguar, Porsche und Ferrari langsam vor sich hin. Fußgänger kommen schneller voran als diese rasenden Träume in Hong Kongs verstopften Straßen. Ihr einziger Sinn scheint darin zu bestehen, mit ihren roten Bremslichtern die verruchte Nacht zu erleuchten. Leichter Regen fällt.


Im Film „Amphetamine“, aus dem ich gerade komme, springt am Ende Kafka Tam von der Brücke hinüber nach Lantau, zu Hong Kongs Flughafen, in den Tod. Er war auf Ice, weil man nur so ein Leben zusammenkriegt, das längst zerbrochen ist. Kafka wollte fliegen. Wollte weg. Und wollte ankommen. Amphetamine wirken nicht nur euphorisierend, sie haben in der Übertragung ins Chinesische auch noch eine andere Bedeutung – sie sind ein Synonym für die schicksalhafte Kraft der Liebe.


Oben auf dem Peak habe ich gestern den halben Tag hellblaue, rote und grüne Schmetterlinge beobachtet. Diese konnten fliegen. Sie schwebten über dem jungen Dschungel und tanzten auf den Dachgärten der Stadt.


Ein Straßendealer flüstert mir ins Ohr: „Ice, Marihuana, Opium?“ Ich lächle müde. Wie sie stündlich das Angebot wechseln. Die Händler vor der Chungking Manson. Anzüge und Hemden nach Maß um 11.00 h morgens, Indian Food von 18.00 bis 20.00 h und danach Drogen. Sex gibt es nach 10.00 h nachts, sind so viele geflüchtete Afrikanerinnen hier, und eine kopierte Rolex rund um die Uhr.


Im Hong Kong Museum of History erfahre ich, dass die Briten es waren, die im 19. Jhd. Opium aus Indien nach Hong Kong brachten, um ihre desaströse Handelsbilanz mit ihrer jüngst eroberten Kronkolonie auszugleichen. Ist es nicht verrückt zu erleben, das die berühmte chinesische Opiumhölle, in der noch heute Millionen Geister nicht zur Ruhe gekommen sind, demnach gar keine chinesische Erfindung ist?


Ich weiß nicht, ob ich in Hong Kong immer leben wollte. Irgendwie tun hohe Häuser weh. Ist es die Angst, dass einem am Ende doch etwas auf den Kopf fällt? Sind so viele Menschen, Fenster, Räume über einem. Ein silbernes Schwert etwa aus einer alten chinesischen Dynastie, aufbewahrt von einem , zu schnellem Geld gekommenen Sammler in einem der zahlreichen Lofts oben, und achtlos, in irgendeinem Streit von einer Verstoßenen, oder in einem Anflug von Wahrheit aus dem Fenster geworfen. Oder auch nur eine andere traurige Geschichte.

Aber die meisten hier sehen gar nicht nach oben, sondern sehen lieber hinab. Rassismus gibt es in Hong Kong eigentlich nicht, es ist nur so, dass man in Hong Kong sagt, die vielen Festlandschinesen mit den billigen Jobs würden sich schlecht benehmen.


Tony erzählte mir vorgestern, dass alle Chief Executive Officer, alle weißen Expats, High-End Touristen, Geschäftsleute, Künstler und Lebenshungrigen auf Hong Kong Island leben. Er sagte das, nachdem er einen schweren Vorhang für E. und mich zur Seite gezogen hatte. Wir waren in Soho, in Hong Kongs legendärer und kaum zu findender „Feather Boa Bar“. Für Sekunden brach sich die Sehnsucht in mir Raum, nun den geheimnisvollsten Ort Hong Kongs entdeckt zu haben. Ein Ort, an dem alle Unwissenden unwissend vorgehen. Ein verschlossener Ort, der nur von der Hand eines einheimischen Freundes geöffnet werden kann. Ein ehemaliges Antiquitätengeschäft, in dem auf den goldenen Sofas die weißen Gäste lümmeln. „Strawberry Daiquiri!“ flüstert mir Tony ins Ohr. Das Cocktailglas, das dann kommt, ist wirklich ganz sanft in Schokolade getaucht.


(Tony, wenn du das liest, danke dir dafür, dass du mir so viele Türen in dieser wahnsinnig aufregenden Stadt geöffnet hast! Ich habe noch nie einen Chinesen getroffen, der so gut Deutsch sprechen kann wie du!)


Eine Stadt lernt man wirklich kennen, wenn man billig wohnt. Wäsche auf Leinen in den endlos langen Fluren, Uringeruch im Treppenhaus, Schneider, die rund um die Uhren arbeiten, angebratenes Öl und Liebespaare. Fahrstühle haben gerade oder ungerade Nummern. Nach einer Weile fahre ich auch bis zum 7. Stock, auch wenn ich im 6. wohne. Ich mag Absteigen.


Im Friseur sitzen viele alte Männer. Ich bin Hong Kong. Schon immer bin ich gern in allen Städten der Welt zum Friseur gegangen. Going native! „Ja, einfach kürzer, aber nicht zu kurz…“ Der Friseur tanzt um meinen Kopf herum, die Anstrengungen der Stadt haben sich tief in sein Gesicht gegraben…Alle färben sich ihre Haare schwarz. Hinten die Frauen, getrennt von den Männern, hier die Herren. Und er schneidet ganz versonnen viel zu kurz. Es gibt immer diesen Moment, jene Sekunde, in der man noch einschreiten könnte, sagen müsste, das wird wieder viel, viel zu kurz. Und die man verstreichen lässt, weil man an eine Fantasie, einem äußeren Bild des Anderen ausgeliefert ist, das man nicht zerstören will. Vielleicht ist es auch nur Höflichkeit oder Feigheit, oder weil man berührt wird, und man sich als Ausgelieferter der Macht eines Banns, einer Lähmung ergibt. Oder ist es der Stuhl, auf dem ich sitze und der mich mit Macht an die unbekannten Mustern einer fremden Kultur fesselt...„Werden Sie wieder kommen?“ Der Friseur geht zu einem Wärmeschrank und holt ein dampfendes, blütenweißes Handtuch heraus. Er reibt sorgsam mein Gesicht und meinen kurzgeschorenen Kopf ab. Es duftet nach Pfefferminze. Ich fühle mich so friedvoll und rein, als hätte meine Mutter mich wie einst als Kind an einem Samstag gebadet. „Ja, vielleicht!“


In die Central Library von Hong Kong, so erklärt uns Pon, gehen die Hong Konger nicht zum lesen, sondern wegen der Klimaanlagen. Kurz danach muss er ins Büro, seine Lunchzeit ist zu Ende. Und wirklich, irgendetwas in diesem Haus ist leer.


Die Menschen in Hong Kong laufen schnell. In der Metro stehen sie dicht gedrängt und telefonieren. Fast alle haben ein Kabel am Ohr. Sie schreiten, laufen, rennen über Rolltreppen, Fußgängerbrücken, Laufbänder, stehen im Fahrstuhl und schreiben eine SMS. Sie sehen lieber an dir vorbei oder durch dich hindurch. Nur manchmal, da sieht dich oder rempelt dich jemand an.


Im Victoria-Park spielen alte Männer mit ihren ferngesteuerten Rennschiffen, die kreischend übers Wasser eines eigens für diesen „Wassersport“ reservierten Bassins jagen. Abgase hängen in den Palmen, durch die sich majestätisch eine Autobahnbrücke schneidet. Die Autos oben rauschen leiser als die Kinderboote der

Alten. Im Swimming Pool neben an krault ein Athlet ganz langsam seine Bahn.


Immer habe ich mich in den Malls verlaufen. Jedes Mal, wenn ich sicher war, endlich den richtigen Metro-Ausgang gefunden zu haben, warten Gucci, Prada, Burberry oder Zegna auf mich. Schaufensterpuppen, die gelangweilt von einem Spaziergang träumen. Auf den Straßen fliegen ihre Kopien umher. Hong Kong hat Millionen Hinweisschilder, seine Malls nur Kleidergrößen. Ganz Asien geht hier shoppen. Die Metro fährt direkt in die Tempel des Konsums.


Im alten Temple von Tai O legt ein alter Fischer Apfelsinen vor den Altar.

Seine Fußnägel sind braun, seine Adern schimmern blau. Ein weißer Reiher steigt auf und zieht über die Geröllberge der vorgelagerten Inseln.


Eine chinesische Nutte zieht an meinem Arm… „Massage, Sex“? Ich habe nachts schon so viele Nutten getroffen, doch diese hier will gar nicht loslassen. „Nein! Nein, ich bin müde, nein ich will nicht!“ Sie aber hat sich in meinem Arm festgebissen, wie ein Hund. Als ich sie abschüttele, tut es mir weh.


Im Fahrstuhl mit den geraden Zahlen sagt mir ein Mann, mit dem ich jetzt um zwei Uhr morgens nicht reden will, er sei aus Afghanistan. Ich hatte gerade den Sicherheitsleuten, die die Chungking Manson ab 24.00 h kontrollieren, meine deutsche Handynummer statt der Nummer meines Reisepasses gegeben. Und meine Roomnumber war auch freierfunden. Ich kann mir keine Zahlen mehr merken. Der Afghane sagt, er sei über Singapur geflohen. Sein Land ist verflucht.


Wieso gibt es keine Bänke in Hong Kong? So gerne wollte ich noch länger sitzen. Wahrnehmen, eintauchen, einer von 8 Millionen werden, ins Kino gehen oder in die Kunst, Dumplings esses with shrimps and pork. Metrofahren, oder mit dem Doppelstockbus, Tram fahren und mich verlaufen, in den Bergen wandern, oder über Inseln. Auf den nassen Holzbänken der alten Fährschiffe sitzen, auch wenn es mal wieder viel zu später geworden ist, und Wolkenkratzer anstarren. Immer wieder staunen und über die Menschheit nachdenken. Wieso muss man in Hong Kong immer stehen?


Und allem Abschied wohnt ein Anfang inne…

http://de.wikipedia.org/wiki/Chungking_Mansions

http://www.boo.com/hongkong/hongkong/nightlife/Feather_Boa_Bar

http://www.thepeak.com.hk/en/home.asp

http://www.amphetaminemovie.com/

http://www.youtube.com/watch?v=YU-oCGr9y64&feature=related

Sonntag, 25. April 2010

Hong Kong Dialog 6

April, 16th, 11pm, Peninsula Hotel, Restaurant Felix, Salisbury Road, 28. Stock, Hong Kong

E: Ich habe eine Idee!

B: Hm?

E: Wollen wir nichts ins Peninsula gehen und einen Rotwein trinken? Das war so ein schöner Tag.

B: Jetzt?

B sieht an sich herunter. Sandalen und kurze, grüne Hosen.

B: Ehrlichgesagt weiß ich nicht, ob ich sooo in die 5 Sterne Bude reinkomme...

E: Ach, wieso denn nicht, probieren können wir’s doch mal.

B und E nähern sich dem prächtigen Eingang von Hong Kongs berühmtesten Luxushotels. Die Hotelportiers öffnen mit einem freundlichen „Good Evening“ die gläsernen Türen zum Palast und B&E schreiten betont normal über den marmornen Boden der Hotellobby.

B: Na, bis hier her bin ich in Bangkok auch schon mal gekommen.

E: Ach was, Schatzi, hol uns doch mal unseren Zimmerschlüssel… (lacht)

B fragt einen der zahlreich herumstehenden Livree tragenden Angestellten, wo es zum Restaurant Felix geht und wird zum Fahrstuhl geleitet.

B: Ja, diese Sandalen sind mir schon mal zum Verhängnis geworden. Ich wollte meiner Schwester, die nur eine Nacht für Bangkok hatte, das legendäre Chirocco im Statetower zeigen, kennst du die Bar auf dem Dach? Da muss man schon Jahre im Voraus Tischreservierungen für Silvester haben… Und was passiert mir am Fahrstuhl? Da spricht mich super freundliche eine Thailänderin an, und fragt mich, was sie für mich tun könnte. Meine Schwester schwebte in irgendwelchen Tods-Schuhen neben mir… Ich sagte nur, Siroccobar und die Thailänderin verzog ihr Gesicht, tiefstes Bedauern vortäuschend ,und sagte, in der Bar seien nur geschlossene Schuhe erlaubt. Pardon! Letztendlich sind wir nicht im 65. Stock gelandet, sondern im 10. und haben fetten Luxustouristen beim Essen zugesehen und den Wolkenkratzer von unten betrachtet…

E: Hier ist der Fahrstuhl, jetzt müssen wir nur noch auf den Knopf drücken…

Ein weiterer Mann steigt mit ein, blauer Anzug, rote Krawatte, und glattrasiert wie eine Hochglanzillustrierte.

Mann: Guten Abend! Wohnen Sie auch im Hotel? B&E schauen sich kurz an. Ach nein? Und E, die Schlagfertige antwortet sofort:

E: Nein, unser Hotel ist gleich neben an (Schungking Mansion auf der Nathanroad, Hong Kongs bekannteste Billigabsteige)

Mann: Na, da haben sie es ja auch nicht weit! Ich komme gerade aus New York, keine Sekunde geschlafen, obwohl ich ein Bett im Jumbo hatte und brauch jetzt noch einen Drink…

B: Na, dann einen schönen Abend noch!

Der Mann geht an die Bar.

B: Ei, diese angelsächsischen Banker haben doch echt die Finanzkrise überlebt!

E: Ja, sieht ganz so aus!

B: Bloß gut, dass deren Bedürfnis nach Smalltalk schon am Ende der Fahrstuhlfahrt

erloschen ist.

E: Dort am Fenster ist ein Tisch frei… Wahnsinn oder? Hong Kong liegt uns zu Füßen.

B: Ja, aber bevor ich was bestelle, muss ich mal eben aufs Örtchen.

E sieht zum Fenster heraus. Die Stadt glitzert im Licht der Reklame und Fähren fahren hin und her zwischen Kowloon und Hong Kong Island. B. kommt wieder zurück.

B: Du, weißt du, wo ich gerade herkomme?

E: Na ich hoffe doch vom Klo!

B: Na Klo würde ich das gerade nicht nennen.

E: Sondern?

B: Also erst stehst du vor irgendwelchen transparenten Glastüren, wo du gleich denkst, okay, Transgender hin oder her, ich muss jetzt einfach mal… weil du nur aus einem bestimmten Lichtwinkel den Schriftzug sehen kannst, wo die Damen und wo die Herren hingehören. Gut, erste Hürde genommen, befindest du dich danach in einem völlig verglasten Raum. Der hat noch mehr und noch größere Fenster als die ganze Bar hier. Und direkt vor der Glaswand, wo du unten auf der Straße alles sehen kannst oder in die Wohnungen der anderen Hochhäuser sehen kannst, da stehen die Urinale. Und die gehen dir knapp bis zur Hüfte. Ich meine wenn ich jetzt 2 Meter groß wäre, könnte mir Hong Kong doch beim Pinkeln voll auf den Penis gucken. Gottseidank bin ich nur 185 cm groß, und trotzdem habe ich meine Beine vor Schreck noch ganz breit gestellt, damit ich noch ein bisschen runter rutsche. Ich meine, es gibt doch so viele Typen, die können gar nicht pinkeln, wenn’s nicht ein bisschen geschützt ist und hier pinkelst du quasi auf die Stadt. Und die Stadt guckt dir dabei zu!

E: Weißt du was, das habe ich schon im Reiseführer gelesen, dass man hier unbedingt aufs Klo muss.

B: Ja, ich war so verdattert, dass mir der Klo-Mann erst einmal zeigen musste, wie man sich danach die Hände wäscht. Da gibt es nämlich nur einen riesigen Marmortisch, ohne Vertiefung geschweige denn Becken und drei armlange Bronzerohre. Das sieht eher nach einem Kunstwerk aus der Tate-Galerie aus als nach einem Handwaschbecken. Und das wiederum ist vollständig durch einen Vorhang geschützt, als bräuchten die Reichen hier in Hong Kong mehr Diskretion beim Händewaschen als beim pinkeln…

E: Wow, ich glaube, ich muss jetzt auch mal…


Mehr Infos über das Pinkeln der anderen Art:
http://www.peninsula.com/hong_kong/en/default.aspx

Samstag, 24. April 2010

Hong Kong Dialog 5





April 15th, Aberdeen Country Park, Hong Kong

Ruhig gleitet ein Adler durch die Lüfte. Unter seinen Flügeln schimmern die gläsernen Wolkenkratzer Hong Kongs im matten Nachmittagslicht. Immer wieder kriechen Sonnenstrahlen durch die Nebeldecke und tauchen das Meer in Türkis. Ich wandere mit W durch den Aberdeen Country Park auf Hong Kong Island. W ist 44, sagt er, ein Jahr älter als ich, und doch sind wir beide im selben Jahr und im selben Monat geboren. Chinesen zählen das erste Jahr nach der Empfängnis immer schon mit. W hat chinesische Geschichte und Literatur studiert und arbeitet als Kurator in einem großen Hong Konger Museum.

W: Hier drüben müsste er gleich kommen.
B: Wer?
W: Na der alte Bunker.
B: Echt, oh Bunker gibt es in Deutschland auch jede Menge.

Links im Dickicht entdeckt W die Bunkerreste aus dem zweiten Weltkrieg.

W: Die Briten hatten hier in den Bergen Bunker gebaut und Flugabwehrgeschütze aufgestellt.
B: Wann haben die Japaner denn angegriffen?
W: 8. Dezember 1941. Genau einen Tag nach Pearl Harbour. Die Briten hatten hier nur 15.000 Verteidiger aus Australien, Kanada und Indien. Das war ein bunter Saftladen und den militärisch unglaublich gut ausgebildeten 50.000 Japanern in jeder Hinsicht unterlegen. Die Schlacht um Hong Kong hat nur 18 Tage gedauert. Meine Familie hatte Verwandte in Singapur, und damals, so hat mir meine Mutter erzählt, haben meine Hong Konger Vorfahren geglaubt, die Japaner würden nur Singapur angreifen. Hong Kong, so dachten sie, sei viel zu klein und zu unbedeutend im Vergleich zu Singapur.
B: Hatte Churchill damals nicht Singapur zu einer Festung ausbauen lassen?
W: Richtig, nur vor dem Krieg haben fataler weise meine Singapurer Vorfahren geglaubt, dass die Stadt viel zu weit weg ist von Japan und zu uninteressant im Vergleich zu Hong Kong. Und geirrt haben sich beide. Beide Städte wurden von den Japanern in Windeseile erobert und mehr oder weniger sogar gleichzeitig. Die Japaner sind einfach durch Malaysia marschiert und haben klugerweise Singapur nicht von der stark befestigten Seeseite angegriffen.

Ein riesiger Tanker kriecht durch die Hong Kong Bay. Im Überseehafen von Kowloon warten hunderte Schiffe aus aller Welt.

B. Ich habe im Hong Kong Museum of History ziemlich viel erfahren über die Japanische Besetzungszeit. Hong Kong hatte in den 40er Jahren schon mehr als 1,6 Millionen Einwohner und während der fast 4jährigen Besetzung sind diese auf 600.000 geschrumpft. Permanente Nahrungsengpässe haben die Japaner veranlasst, die Bevölkerung nach China abzuschieben. Im Museum hängen viele Schwarz-weiß Fotos, auf den du siehst, wie willkürlich diese dabei vorgegangen sind. Wo wir hier heute auf diesem Weg entlang spazieren, wurden vor mehr als 60 Jahren die Leute von der Straße weggefangen, eingesperrt und ausgesiedelt.
W: Ja, das war die dunkelste Zeit Hong Kongs. Verwandte meiner Familie sind verhungert, andere verschollen. Wir wissen bis heute nichts. Und bis heute hat sich Japan nicht für seine Gräueltaten entschuldigt.
B: Ja, weißt du was? Mir hat neulich ein alter japanischer Psychiater etwas darüber erzählt, der neben mir im Flugzeug nach Bangkok saß. Ein hochgebildeter Herr. Er fühlte sich ermuntert, nachdem ich sagte, ich sei ursprünglich aus Deutschland, über die Vergangenheit der beiden Länder zu reden. Der Psychiater ist der Überzeugung, dass die auffällig hohe Suizidrate der Japaner, und die dort verbreiteten Krankheiten wie Depression und Psychosen darauf zurückgehen, dass die Japaner ihre Vergangenheit nicht bewältigt haben. Er sagte zu mir, Japan hätte eine ähnlich scheußliche, und aggressive Vergangenheit wie Deutschland. Doch während wir in Deutschland – seiner Meinung nach – sehr viel über die Vergangenheit nachdenken und uns mit unseren Nachbarn ausgesöhnt haben, versucht Japan bis heute alles zu verdrängen! Eine interessante These.

Die sich noch oben hin verjüngende Spitze des über 400 Meter hohen Internationalen Finanz Centrums (IFC) wirkt im kalten Wolkenlicht vereist. Als wollte das All den kühnsten Riesen der Stadt abstrafen, für seine Hochmut und sein Haupt in einen ewigen Gletscher verwandeln.

W: Na, ich weiß nicht, ob das darauf zurückzuführen ist. Auch ganz viele Hong Konger sind psychisch labil. Unsere Suizidrate ist genauso hoch wie in Japan und die Geburtenrate weltweit eine der niedrigsten. Ich habe gerade eine neue Studie gelesen, und ich glaube, fast 30 % der Menschen hier haben Schlafstörungen. Hong Kong ist einsame Spitze. Nur Tokio ist schlimmer. Die Menschen kommen nicht mehr zur Ruhe.
B: Na zumindest fällt mir auf, wie viele Leute selbst unter der Woche nach Mitternacht noch auf den Beinen sind, ganze Trauben steigen aus Taxis aus und gehen was trinken. Ich frage mich, ob die am nächsten Tag nicht arbeiten müssen.
W: Doch, die meisten werden wie ich zwischen 8 und 9.30 am zu arbeiten anfangen und hören gegen 19.00 oder 20.00 h auf. Lange Tage sind das, und kurze Nächte, Hong Kong arbeitet sich tot.

Schon wenige Meter hinter den Hochhäusern, dort, wo der Berg so steil ansteigt, dass die Stadt noch zu zögern scheint, riesige Wohntürme in die Erde zu rammen, kriecht der junge Dschungel die Hänge hinunter. Die Berge wurden vor vielen hunderten Jahren abgeholzt, doch längst bevor die Briten die Stadt im Juli 1997 an China zurück gaben, haben die Hong Konger begonnen, die Hänge wieder aufzuforsten.

B: Sag mal W, wie ist denn jetzt eigentlich die Beziehung zu China?
W: Na, sagen wir mal so, die Chinesen wissen, was sie an uns haben. Am 1. Juli 1997 hatten die Briten ihre damalige Kronkolonie Hongkong an China zurückgegeben. Manche Einwohner befürchteten damals Schlimmes, z.B. dass bald chinesische Panzer durch die Straßen rollen, wie beim Pekinger Massaker vom 4. Juni 1989. Viele besorgten sich vorsichtshalber einen kanadischen oder australischen Pass. Doch in den ersten zehn Jahren seit dem „Handover“ haben sich die Chinesen mit ihren Kreditkarten an die Rückeroberung Hongkongs gemacht, nicht mit Gewehren. Chinas rote Kaiser respektieren den Kapitalismus in Hongkong nicht nur, sie nehmen sogar freudig daran teil.
B: Du meinst, Hong Kong bleibt auch in Zukunft eine freie Stadt?
W: Gut. Jetzt gibt es also immer noch den 50 Jahre gültigen Vertrag mit Großbritannien, wonach sich in Hong Kong bis 2047 nichts Grundsätzliches ändern darf. Aber weißt du was? So wie ich China kenne, werden wir ab 2048 den Rechtsverkehr bekommen. Oder glaubst du, die lassen uns dann immer noch auf der linken Seite fahren? Und das ist dann nur der Anfang…

Mittwoch, 21. April 2010

Hong Kong Dialog 4



April 14th, Hong Kong, Yau Ma Tei, Gespräch mit T. in einem Hong Konger Restaurant. T. ist ein kanadischer Englischlehrer, der in den 70er Jahren in Südlaos geboren wurde.

T: Meine Freunde in Hong Kong? Gute Frage! Ich habe eigentlich nur Bananas als Freunde.
B: Bananas?

Die Kellnerin kommt und bringt T und B die Karte.

T: Ja, ach so, dass heißt, außen gelb und innen weiß! (lacht). Das steht für Menschen, die zwar ethnisch wie Asiaten aussehen, aber im Westen großgeworden sind. In Hong Kong gibt es die ABC's and BBC's, also American born Chinese and British born Chinese.
B: Und wieso hast du keine "Mangos" unter deinen Freunden?
T: Mangos?
B: Ja, ich meine außen gelb und innen gelb, deiner Fruchtlogik folgend, du bist doch nun schon sechs Jahre in Hong Kong.
T: Ach so, na ich fühle mich fremd unter ihnen, die sind einfach anders drauf, asiatisch eben. Ich kriege ja schon zu viel, wenn ich einmal im Jahr meine Verwandten in Südlaos besuche. Diese ganzen Begrüßungsrituale, "Sobai Di" und dann die Verbeugung mit den betenden Händen vor den Älteren. Das ist mir schon zu wider! Ich sage einfach „Hello“, das langt doch! Ich mag diesen ganzen Traditionszirkus nicht.
B: Für mich als Westler sind genau diese Traditionen faszinierend. Ich finde die Kulturen hier dadurch viel höflicher und respektvoller als in Deutschland, wo ich herkomme. Was essen wir denn jetzt?

B schaut noch immer nicht in die Karte, die Kellnerin läuft wieder weg.

T: Respektvoller? Na, ich weiß ja nicht. Respekt erfährst du auch nur, wenn du so angepasst lebst, wie die sich das wünschen. Ich sag dir eins, ich bin vor etlichen Jahren zu einem Bruder meines Vaters nach Australien geflogen, wollte da zwei Monate Urlaub machen. Ach so, wir sollten vielleicht mal bestellen, ist eine längere Geschichte.
B: Ich will irgendwas Scharfes und viel Gemüse. Ist mir zu viel Fleisch hier überall.

T bestellt Essen, wobei er kantonesisch redet, aber so schlecht, dass die Kellnerin sich schon lustig macht.

T: Also meine Eltern aus Kanada haben da einen langen Brief geschrieben und mein Kommen angekündigt. Mein Onkel ist schon in den frühen 70er Jahren von Laos nach Australien ausgewandert. Als ich in Australien war, habe ich ziemlich schnell mitbekommen, dass mich meine Cousins aus irgendwelchen Gründen ablehnen. Na, mir war‘s nicht unrecht. Ich bin über das Wochenende dann ganz oft nach Sidney gefahren und hab es dort krachen lassen. Ich lernte neue Freunde kennen und ging in diverse Schwulenbars. Ich hatte meinen Spaß. Nie ist ein Wort darüber verloren worden, und ich dachte, das ist alles okay so. Hatten die halt auch ein freies Wochenende und musste mit mir kein Program veranstalten. Da ruft mich doch eines Tages meine Mutter aus Kanada an und fragt, ob ich nicht früher zurück kommen wolle? Ich sagte, "Bitte???" Ich meine, mir war es nicht unlieb, denn eigentlich habe ich zu der Familie meines Onkels keinen engen Draht entwickelt. Als ich meine Mutter fragte, wieso ich denn nach Hause kommen sollte, sagte sie mir, sie wolle mir das persönlich sagen. Na, ich konnt's mir eigentlich schon denken.
Kaum zu Hause angekommen, sagt meine Mutter mir, dass mein Onkel sich Sorgen machen würde über meinen Lebensstil. Er hat einen langen Brief an meine Eltern geschrieben, weil er sich um den Sohn seines Bruders wirklich kümmern wollte, aber leider sei ich an den Wochenenden immer in den Schwulenbars von Sydney gewesen. Ich habe ja nicht schlecht gestaunt, woher er das wissen konnte, ich meine die leben echt in der Pampa und ich bin immer allein nach Sydney mit dem Bus gefahren. Dachte ich mir jedenfalls. Doch weißt du was? Mein Onkel hat mich nach dem ersten Wochenende gleich beschatten lassen. Der hat echt einen Detektiv angeheuert, der mir nachgestiegen ist und ich Depp hab das nicht mitbekommen.

B und T essen, B stöhnt, es ist jetzt doch zu scharf, seine Suppe ist die roteste in diesem Hong Konger Restaurant.

B: Boohh… ich kann’s kaum essen, es brennt überall. Das war doch die ganzen Tage immer so lasch alles und hier hauen die echt Chili rein… du wie bist du denn eigentlich nach Kanada gekommen aus Laos?

T: Ja, das ist auch so eine verrückte Geschichte. Eines nacht‘s, ich war 6 Jahre alt, reißt mich meine Mutter aus dem Schlaf und bittet mich, jetzt in den nächsten Stunden nicht zu weinen, denn wir würden eine kleine Reise unternehmen. Meine Eltern wirkten so gestresst, dass ich lieber nicht nachgefragt habe, warum wir um Himmelswillen mitten in der Nacht aufbrechen müssen. Später wusste ich, meine Eltern hatten Angst vorm Kommunismus. In Laos herrschte Bürgerkrieg und wir sind deshalb abgehauen.
Ich bekam jede Menge Bonbons, damit ich nicht schreie. Wir gingen dann zum Mekong runter. Dort hatte mein Vater ein kleines Boot und wir stiegen ein und ruderten über den Mekong von Laos nach Thailand. Kennst du die Gegend?
B: Ja, ich war schon in Südlaos, der Mekong ist da ziemlich breit und hat viele Stromschnellen.
T: Genau! Saugefährlich war das. Auf der laotischen Seite hätten uns die Soldaten wegen des Fluchtversuchs sofort erschossen und auf der anderen Mekongseite lauerten die thailändischen Soldaten, die es auf die Flüchtenden abgesehen hatte, denn wer aus Laos abhaut, hatte alle tragbaren Wertgestände wie Geld und Schmuck bei sich. Gottseidank haben uns aber weder die Laoten noch die Thais erwischt, sonst wäre ich vielleicht heute nicht hier. Es war stockdunkel und ich kann mich noch heute erinnern, wie der unruhige Mekong immer wieder über den Bootsrand geschwappt ist...

B: Oh, ich kann’s echt nicht aufessen…
T: Hab ich dir doch gesagt, scharf geht in China für uns Weiße gar nicht…

Sonntag, 18. April 2010

Hong Kong Dialog 3





April 12th, 2010, 21.00 h, Hotel Butterfly on Prat, Kowloon, Hong Kong

Ich bin auf meinem Zimmer. Mein Telefon klingelt.

B: Hello
A: Ich bin‘s. Also, ich kann erst ab 22.00 h. Sorry! Hab noch einen Kabelfritzen in der Wohnung. Ich habe seit Tagen Problemen mit meinem Internet.
B: Kein Problem, ich bin ja im Urlaub.
A: Ich hab mir außerdem noch Essen bestellt, das wird gleich gebracht. Und wenn ich Essen habe, dann muss ich erst einmal alles aufessen.
B: Ja, aber dann können wir doch auch gemeinsam essen, ist doch eh viel gemütlicher. Mich stört der Kabelfritze auch nicht!
A: Ne, lass mal, ich esse und dann kannst du kommen. Du kannst dir was zu essen auf der Straße kaufen. Okay?
B: Okay. Und wie muss ich nun fahren? Ich wohne ja im Tsim Sha Tsui Viertel.
A: Du nimmst am besten ein Taxi durch den Westtunnel. Das kostest so 60 HK Dollar (6€) extra Gebühr und dann noch mal so 60 HK Dollar für die Fahrt.
B: Ist okay.
A: Ja, wenn du ins Taxi steigst, rufe kurz durch, ich erkläre dem Taxifahrer, wo er lang fahren soll, die meisten können nur schlecht Englisch.
B: Gibt es denn nur den einen Tunnel rüber nach Hong Kong Island?
A: Nein, es gibt mehrere, deswegen sollst du mich ja auch gleich anrufen, wenn du im Taxi bist.

Die Frage, wie ich später wieder zurückkomme, stelle ich mir jetzt mal nicht.

22.00 h, Hong Kong West

B. ist mit dem roten Taxi durch die Stadt gesaust, nachdem A. mit dem Fahrer auf Kantonesisch gesprochen hat. B. kommt sich vor wie ein Geschenkpaket, das spät in der Nacht noch ausgeliefert wird. Das Taxi fährt so schnell durch den Tunnel, dass B. prompt an Lady Di denken muss. Nachdem B. in den Kurven viermal über den glatten Kunstlederrücksitz gerutscht ist, hat er sich endlich angeschnallt. Eine Polizeistreife winkt das Taxi heraus und der Fahrer guckt B. entsetzt an. Kein Problem Kamerad, sagt B. nur, ich bin längst angeschnallt.

B ruft schon wieder A an.

B:Also der Taxifahrer hat mich jetzt bei einer Kirche rausgeschmissen.
A: Oh nein, das ist völlig falsch! Jetzt musst du wieder zurück zur Queens Road West laufen. Und dann nach links den Berg hoch und dann wieder die dritte rechts… Da ist mein Haus.
B: Oh, da komm ich ja gerade her, ich dachte, du hast das dem Taxifahrer erklärt!
A: Hab ich ja, aber die meisten kommen aus der Provinz und haben überhaupt keine Ahnung.

B. irrt durch die Stadt. Hochhäuser ragen in den Nachthimmel. Es ist kühl. Endlich steht B. vor A’s Hochhaus. B. kramt in seiner Tasche und holt den Zettel mit der PIN Nummer hervor. B. drückt den Code in die Türanlage: CDO17. Durch die gläserne Tür von drinnen schaut grimmig der Doorkeeper. Er Trägt ein weißes Oberhemd, eine blassgelbe Krawatte und ist um die 60. Nichts passiert. B drückt noch einmal den Code und noch einmal, bis der Doorkeeper endlich kommt.

Doorkeeper: Guten Abend, wo wollen Sie denn hin?
B: Zu Herrn A.
Doorkeeper: A? Gibt es hier nicht!
B: Doch, muss es ja geben (als würde der in diesem riesen Klotz alle Leute kennen!)
Doorkeeper: Zeigen Sie mal den Code
B: Hier!
Doorkeeper: Den Code gibt es hier auch nicht! (schaut noch grimmiger und mustert B.)
B: Also dann rufe ich (mal wieder) meinen Freund an!
Doorkeeper: Im 17. Stock wohnt eine junge Frau, wollen Sie zu der? (Doorkeeper schaut zweilichtig)
B: Nein! Ich will zu HERRN A!
Doorkeeper: Den langen Typen?
B: Ähm… ja, der ist schon groß! Also lassen Sie mich doch jetzt mal rein!

B. ruft A an, der geht gottseidank gleich ran und erklärt dem Doorkeeper, wo B. hin muss. Dann fahren der Doorkeeper und B. gemeinsam in den 17. Stock. Die Fahrstuhlfahrt dauert aus der Sicht B’s viel zu lange. Zu sagen hat man sich auch nichts.
Oben angekommen, schiebt A. eine schwere Metalltür zur Seite und öffnet dann die Tür zur Wohnung. B grüßt A wie einen alten Bekannten, auch wenn er ihn davor noch nie gesehen hat. Nur, um vor den Augen des Doorkeepers nicht völlig bescheuert dazu stehen. Der trollt sich von dannen und A. zieht B in die Wohnung.

A: Sorry, dass es dich so viel Anstrengungen gekostet hat. Aber ich hatte doch gesagt CB017! B wie Boys!

B. verzichtet darauf zu sagen, dass er CD017 verstanden hat und erkundigt sich stattdessen, ob denn nun wenigsten das Internet wieder funktioniert.

A: Nein… der Typ muss morgen nochmal kommen, ich hab ihn jetzt rausgeschmissen. Willst du was trinken?
B: Ja, Bier!
A: Okay, ich trinke aber nur Wasser!
B: Kein Problem!
A: Ich kann nicht jeden Tag Alkohol trinken, heute mach ich eine Pause.
B: Wieso trinkst du denn jeden Tag Alkohol?
A: Wegen meines Jobs!
B: Äh? Arbeitest du in einer Kneipe?
A: Nein, ich bin im Entertainmentbereich, das geht’s nicht ohne.
B: Wie, hier in Hong Kong müssen alle Leute im Entertainmentbereich trinken? Du meinst wohl das Feierabendbier?
A: Das auch noch. Nein, ich bin in einer Firma für das Entertainment von Leuten aus dem Finanzbereich zuständig. Die arbeiten den ganzen Tag wie verrückt und brauchen abends dann leichte Unterhaltung.
B: Was heißt leichte…?
A: Na, nur so in bestimmten Trendrestaurants Essen organisieren, weil die immer wieder woanders hinwollen. Und Events zum Wochenende hin, in den großen Hotels und Clubs. Ich kalkuliere auch nur die Budgets. Aber habe eben als Verantwortlicher auch jede Menge Kundenkontakt. Und dann trinkt man schon was.
B: Das heißt, du arbeitest nur nachts?
A: Ja, am Tag arbeiten die ja in der Bank. Was machst du?
B: Oh, ganz was anderes. Ich arbeite in einer kambodschanischen Charity im HIV/AIDS Bereich und bin für die Management- und Programentwicklung zuständig.
A: Das heißt?
B: Ja, das ich meine Kollegen darin unterstütze, ihre Aufklärungs- und Betreuungsarbeit besser zu machen.
A: Ja, hab schon gehört. AIDS ist ein riesen Problem in Kambodscha. Die ganzen Kinderficker aus Thailand sind da jetzt hin gewandert.
B: Ja, aber die werden bei uns jetzt auch verfolgt!
A: Wow, da machst du richtig was Sinnvolles!
B: Naja, wenn du so willst, ist die Arbeit in einer NGO ja immer sinnvoll irgendwie!
A: NG was?
B: Non Government Organization. Sorry!
A: Ist eigentlich gut, was Sinnvolles zu machen! Ich meine, du sammelst gutes Karma.
B: Du nicht?
A: Doch ich auch, ich sammel Geld ein, mein Gehalt. Gutes Karma für mich! Ich könnte nicht wie du 3 Jahre in einer NGO arbeiten und mein Leben opfern. Dann spende ich lieber mal was. Los, ich zeig dir jetzt mal meine Wohnung!
B: Ach so, es gibt nur die Wohnküche hier, und das Schlafzimmer.
A: Und einen eingebauten Kleiderschrank, hier drüben
B: Darf ich dich fragen, was die Wohnung kostet?
A: Klar, 15.000 HK Dollar (1500 €)
B. Aber das sind ja höchstes 35 qm.
A: Ja, Hong Kong ist unglaublich teuer.
B: Ja, hab ich schon gemerkt. Und sag mal, du siehst eigentlich gar nicht so chinesisch aus, wo kommst du her?
A: Aus Hong Kong. Aber meine Vorfahren kommen aus China, Japan und Portugal, ach, nach Macao musst du unbedingt auch noch hinfahren.
B: Wollte ich eigentlich nicht, da gibt es so viele Casinos.
A: Ja aber genau deswegen fährt man dort ja hin.
B: Mensch, da hast du ja in deiner Familie die ganze Geschichte dieser Stadt zusammen.
A: Ja, fehlen nur die Briten, aber da hab ich ja studiert. Und du bist richtig Deutsch?
B: Ja
A: Aber nicht so langweilig, wie die meisten deiner Landleute?
B: Äh?
A: (Lacht) Ich meine vom Klischee her, immer pünktlich, immer diszipliniert, immer völlig direkt, das ist doch langweilig!
B: Na pünktlich war ich heute schon gar nicht!

1 h morgens, immer noch Hong Kong West

B: Oh, es ist spät, ich muss wieder rüber nach Kowloon.
A: Ja, kannst du wieder ein Taxi nehmen, den Weg kennst du ja schon.
B: Gibt es keinen Nachtbus?
A: Doch, unten vor der Tür, sieh mal, (geht zum Fenster und aus dem 17 Stock zeigt A auf einen wartenden Mann mit einem weißen T-Shirt), der will auch nach Kowloon, dort ist die Haltestelle.
B: Supa, schön war‘s… ich geh dann mal. Vielen Dank für das Bier und die Führung durch deine Wohnung (beide lachen)
A: Ja, man sieht sich!

B. denkt, man sieht sich wahrscheinlich nie wieder. Unten auf der Straße ist der weiße Mann verschwunden. Der Nachtbus kommt nicht und als B. den Fahrplan studiert, stellt er fest, dass der letzte Bus bereits um 22.00 h gefahren ist. Dieser Idiot! B. läuft herum und macht ein paar Fotos vom Kiez. Hier sieht Hong Kong noch aus wie die Welt von Suzie Wong. B geht in ein chinesisches Restaurant, in dem der Besitzer Kickboxen im Fernsehen ansieht und eine Zigarette pafft, während sich seine Frau die Haare färbt. B. fragt nach einem Feuerzeug und raucht im Restaurant eine Zigarette. Nach Mitternacht ist das hier offensichtlich kein Problem. Dann steigt B. in ein Taxi.

B: Nach Tsim Sha Tsui, Kowloon, bitte.
Taxifahrer: Durch welchen Tunnel soll ich fahren?
B: Durch den billigsten bitte.
Taxifahrer: Okay, dann nehmen wir den Osttunnel.

Und B. schnallt sich grinsend an.

Samstag, 17. April 2010

Hong Kong Dialog 2





April 13th, 2010, Hong Kong, Hopewellcentre


E und B gehen jetzt ins Hopewell Centre. Das Gebäude sieht mit seinem beigen Beton und dunklen Fenstern sehr nach 80er Jahren aus. Im Foyer ein riesiges Mosaik, die Kulisse der Stadt mit ihren grünen Bergen und blauem Meer. Ein Bild der ungebrochenen Utopie. Als könnte die Natur wirklich diesen ganzen urbanen Wahnsinn vertragen. Der Rezeptionist lächelt freundlich, weil E und B so laut staunen. Dann gehen beide zu einem der 25 Lifte und drücken auf den höchsten Knopf.


E: Ich weiß überhaupt nicht mehr, wo wir jetzt sind!

B: Irgendwo im 64. Stock. Sind aber nur Versicherungen und Finanzberatungen hier…

E: Na irgendwo muss das viele Geld ja herkommen.

B: Lass uns doch mal diesen Gang lang gehen.

E: Guck mal, da ist wieder ein Fahrstuhl.

E und B drücken auf den Fahrstuhlknopf, die Tür öffnet sich.

E und B: Aaaahhhh, DAS IST DER WAHNSINN!


E und B betreten den berühmten gläsernen Fahrstuhl (Hopewell Bubble). Hong Kong liegt vor ihren Füßen! Sie fahren ganz allein an der Außenfassade des Hopewell-Centres hinunter. An Wolken vorbei, und an anderen Wolkenkratzern…


B: Das war noch bis Ende der 80ziger Jahre das höchste Haus in Hong Kong!

E: Na, das hat sich aber schon lange geändert! Ich mach mal ein Foto von dir!

B. Ne, ist schon zu dunkel!

E: Guck mal, da unten im 17. Stock ist die Raucherinsel der Angestellten.

B: Ja, ganz schön was los. Los, da machen wir uns mal hin…


B und E mischen sich abwechselnd unter die Anwesenden. So kann man nämlich ganz gut die Hong Konger fotografieren, weil eigentlich, so wurde ihnen das gesagt, mögen diese das nicht…


http://www.hopewellholdings.com/eng/hhl_hopewell_centre.htm