Montag, 28. Juni 2010

Der grausame Vampir




Mehr schon als zwei Jahre hat die Korruption einen großen Bogen um mich gemacht. Vielleicht mag sie Ausländer nicht. Sie lauert in Kambodscha anderen auf. Die hässliche alte Dame mit dem schiefen Lächeln. Der grausame Vampir.

Wenn man wie ich als Weißer in Kambodscha in einer NGO arbeitet, dann schleicht die Korruption lechzend vor der Office-Tür, doch sie traut sich nicht rein. Wohl hört man hier und da ein Stöhnen bei den Kollegen, die mit ihren Projekten in den Sumpf der Korruption geraten, doch findet sich meistens ein trockener Weg.

Viele NGOs in Kambodscha sind selbst deklariert oder wie in meinem Fall zertifiziert, korruptionsfrei. Es sind Organisationen, die es geschafft haben – vielleicht auch nur, weil die internationalen Geldgeber sonst den Hahn abgedreht hätten – Verfahren und Prozesse zu organisieren, die transparent sind, und kritisch von außen kontrolliert. Nennen wir sie „Gemeinwesen mit Hoffnung“ in einem Meer der schmierigen Resignation.

Auf den schmuddeligen Plätzen bleibt man lange kleben. Unter 164 Ländern, so die weltweite Korruptionsstatistik, belegt Kambodscha seit Jahren die untersten Ränke (151). In Asien ist nur Indonesien schlimmer.

Mehr als 60 % aller Unternehmer in Kambodscha, so schätzt die Weltbank, müssen regelmäßig Bestechungsgelder bezahlen, um ihre Firmen zum Laufen zu bringen oder am Laufen zu halten…

Da gibt es einen Österreicher in Siem Reap - Namen kann man nicht nennen, wenn man einen öffentlichen Text über Korruption schreibt, das Gespenst der Korruption mag Namen nicht – der vor zwei Jahren ein Hotel eröffnet hat.

Als ich ihn kennenlernte, saßen wir am Pool vor dem Hotel und so hörte ich mir seine Poolgeschichte an. Darin hatte die grausame Verwandte gleich zweimal zugeschlagen… Der Pool wurde in Deutschland gekauft. Lassen wir ihn

15.000 € kosten, ich hab die Zahl längst vergessen. Der deutsche Pool macht sich auf die lange Schiffsreise und kommt in Sihanoukville an, Kambodschas Hafenstadt. Von dort gibt es einen Anruf der Hafenbehörden, dass der Pool

abzuholen wäre, soweit geht alles seinen Gang.

Der Österreicher fährt ans Meer, legt alle Unterlagen vor, Bescheinigungen, Stempel. Die Behörden nicken, doch unterschreiben tun sie nicht… Ein gefälliges Lächeln, ein schmieriges Winken mit der Hand und der Österreicher sieht sich einer Sondereinfuhrsteuer ausgesetzt, die bei weitem die Hälfte des Poolpreises übersteigt… Entsetzt verweist er auf eine Bescheinigung über die offizielle Einfuhrsteuer, die er beim Finanzministerium zu entrichten hat. Doch die Hafenbehörden verstehen nichts. Dann geht die Tür auf und die alte Dame kommt. Setzt sich hin, im schäbigen Kleid und überrascht mit einer Idee. Wie wäre es, wenn man die Einfuhrpapiere fälschen würde, und den Pool statt 15.000 € nur 1500 € kosten lassen würde? Und wie wäre es, wenn von diesem kleineren Betrag noch einmal 50 % Sondergebühren bezahlt würden, quasi als Gegenleistung für die zusätzliche Schreibarbeit? Noch einmal 750 € für den Pool, das ist doch Taschengeld. Das wird doch mit den gefälschten Dokumenten dann auch beim Ministerium billiger.

Der Österreicher zahlt verärgert. Und der Pool, dem die Geschichte egal ist, macht sich auf den Weg nach Siem Reap. Alles wird jetzt wieder gut, denkt sich der Österreicher, wären da nicht die örtlichen Wasserbetriebe von Siem Reap, die schon längst von der alten Dame informiert wurden. Jedenfalls grüßt diese vertraut den guten Bekannten, der die Tür zu dem Büro der Wasserbetriebe aufmacht, um wegen des zusätzlichen Wasserverbrauchs nachzufragen. Nein, so einen Pool, den könne man nicht so einfach mit Wasser füllen. Nein, so ein Pool, da brauchen wir noch einmal extra Geld. Eine Anschlussgebühr quasi, die man doppelt zahlt. Anschluss an die Wasserleitung mit Anschluss an die Korruption.

Niemand wolle dem Österreicher den Poolspaß verderben. Dem aber langt es längst! Fast wäre der Pool ohne Wasser baden gegangen, fast! Doch der Österreicher hat eine Idee. Er trifft sich mit dem reichen Kambodschaner, von dem er die Hotelvilla gemietet hat und klagt sein Leid. Und Wunder, dieser hat ja eine große Familie und einen Neffen, der eine Trinkwasserfabrik hat. Ganz in der Nähe. Der Österreicher traut seinen Ohren kaum. Der Onkel ruft seinen Neffen an, und der Neffe sagt in der Fabrik Bescheid. Einen Tag später kommen mehrere Laster mit Trinkwasser. Und so schön sprudelt es jetzt im Pool. Ganz blau schimmert es, und die Gäste sind‘s auch zufrieden, wegen der Wasserqualität.

Doch leider läuft es in diesem Land normalerweise anders. Hat nicht jeder einen Trinkwasserfabrikanten an der Hand. Eltern zahlen Zusatzgebühren an Lehrer, damit ihre Kinder in der Schule Unterrichtsmaterialien bekommen. Die Kopien sind ein Zusatzverdienst für die chronisch unterbezahlten Lehrer, aber Schulbesuch ist in Kambodscha eigentlich kostenlos. In Krankenhäusern verkürzen sich Wartezeiten, wenn man einen Schein hinüberreicht. Urkunden, Zertifikate in diesem so stempelverliebten Land, die gibt es gegen Gefälligkeiten. Ach, Sie wollen ihr Geburtsdatum ändern? Kein Problem. Kostest 25 $, wann wollen Sie den geboren sein?

Ganz übel wird’s, wenn sich die hässliche Dame unter die Richter mischt. Land verloren? Tochter vergewaltigt? Sohn totgefahren? Alles kein Problem, zumindest für die Täter nicht. Schon längst haben sie dem Vampir die Aufwartung gemacht. Es sind die Opfer, die am Ende immer am längsten bluten…

Ein neue Umfrage erhellt: Kambodschaner schätzen die Ministerien für Finanzen, Wirtschaft und Justiz als die korruptesten Einrichtungen ein.

Mindestens genauso korrupt, wie einer der Bürgermeister von Phnom Penh, der drei Häuser neben mir wohnt. Man sagt, er verdient im Monat 3000 Dollar. Doch seine sieben Luxuswagen, seine dutzenden Angestellten, seine Villen in der Stadt und am Meer, die kann man schwerlich von diesem Salar bezahlen. Es sind Gerüchte, genaues weiß man nicht einem Land, wo die „Pressefreiheit“ genau da aufhört, wo man kritisch über die Regierenden berichten müsste. Besser nicht den Kopf zu sehr aus dem Fenster legen…

Auch das Premierminister Hun Sen und seine Angehörigen federführend hinter dem illegalen Waldeinschlag stehen, die Brigade 70, eigentlich zum Schutz des Premierministers abgestellt, militärisch den Transport edelster Hölzer aus den letzten Dschungeln organisiert, wispert man hier und dort, welch trauriges Rauschen…

Es geht ein hässliches Gespenst um in Kambodscha, viele Jahre schon. Es ist hier zu Hause, in der alten Patronage – und Gefälligkeitskultur, in einem Land, das den Gesetzen zu trauen verlernt hat. Es ölt Türen und steht vor den Toren Schmiere. Es muss die Presse nicht fürchten, nicht das Gericht und schon gar nicht das Parlament. 16 Jahre dauerte der Spuk, bevor dass das seit 1994 in Arbeit befindliche Antikorruptionsgesetz im Parlament endlich und natürlich einstimmig im März 2010 angenommen wurde. Ein zahnloser Tiger, sagen die Kritiker. Denn die meisten Plätze im neuen Anti-Korruptions-Komitee sind alle schon von einer alten Dame besetzt…


Hong Kong und Singapur galten in Asien noch in den 50 und 60er Jahren als extrem korrupt. Die Stadtstaaten haben seitdem die Korruption erfolgreich bekämpft. Es gibt also einen Ausweg aus der Korruption innerhalb der asiatischen Gesellschaften.

Sonntag, 13. Juni 2010

Der Dieb, der Wirt, die Frau und kein Liebhaber




Manche Menschen werden von Dieben verfolgt und andere von Engeln. Vielleicht muss man über Leichtsinnigkeit aber auch anders reden. Nicht über Schicksalsboten nachdenken, sondern über Zustände, z. B. in einem Land wie Kambodscha.

Ich sitze gestern mit meinem Freund T. im indischen Restaurant Safran auf der Golden Street von Phnom Penh. In dieser, im oberen Boeung Keng Kang Mui Viertel gelegenen Straße wimmelt es von Restaurants, Bars, Touristen und Tuk Tuk Fahrern. Es gibt Dachgartenrestaurants, Pool Bars, Hotels und Designerbars. Es liegt zwar kein Gold auf der Straße, doch hier lässt sich trefflich Geld verdienen. Oder ausgeben, je nachdem welche Perspektive man vorzieht!

Diese Straße ist im Rausch. Und ihre Gäste sind es auch.
Ein gutes Metier für zwielichtige Gestalten.

Ich sitze mit meinem Freund vor Sinnfragen. Diese haben sich vollständig ausgebreitet auf dem Tisch, wo dampfend das Essen serviert wird. Es wird eng. Warum nicht das Telefon auf den freien Nachbartisch legen, und die Schlüssel für das Motorrad und die Sonnenbrille? Das Restaurant ist leer, bis auf einen Tisch, an dem sich zwei Franzosen mit zwei Spaniern unterhalten.

Ich berausche mich gern an Sinnfragen, vor allem, wenn es nicht meine eigenen sind. Was ist der Sinn eines Lebens im Ausland? Und was bleibt, wenn man wieder geht? Was haben wir für andere hinterlassen? Und was für uns selbst?

Mir fällt dazu immer was ein. Prost! Ein junger Zeitungsverkäufer kommt, keine 20 Jahr alt und hält uns zwei große kambodschanische Zeitungen vor die Nase.

Ich schüttele den Kopf und dann noch einmal. Er bückt sich seitlich und etwas komisch weg und geht. T. ist am nachdenken, ich halte noch mein Bierglas in der Hand, bis der Wirt des Restaurants plötzlich schreit.

In Sekundenschnelle jagt ein großer Inder zur Tür. Packt den schmächtigen Zeitungsverkäufer und wirbelt diesen zu Boden. Die Zeitungen schlittern durch den Raum. Und der Junge hinterher.

Eine Frau kommt rein, eine Freundin aus Belgien. „Was ist denn hier los?“

Der Inder schlägt jetzt den kleinen Kambodschaner, der auf dem Boden um Erbarmen fleht. Drei weitere Angestellte haben sich um den Jungen aufgebaut wie Mauern, Momente von purer Gewalt.

„Wo ist das Telefon?“ Der Wirt schreit, die Frau beschließt sofort, das Restaurant wieder zu verlassen. Auch ich sehe T. ratlos an. Was sollen wir machen?

„Ich verstehe hier gar nichts!“ T. hat sich jetzt umgedreht. Der Inder kommt und fragt ihn, ob ihm das Telefon gehöre. Er hält T.’s teures I-Phone in den Händen. „Ja, natürlich, das ist meins!“ T. greift sofort zu und blickt auf den Nachbartisch, wo sich die Motorradschlüssel einsam langweilen. „Scheiße, der Zeitungsjunge hatte echt mein Telefon geklaut!“ Der Inder schlägt noch zweimal zu. Der Kambodschaner schreit auf, bevor er von allen Angestellten aus dem Restaurant geschmissen wird. Nur die Zeitungen bleiben auf dem Boden liegen.

Das Telefon, sagt der Wirt kostet doch 600 Dollar. „Ja, sagt T. ich bin auch zu blöde. Ich lass es immer auf dem Nachbartisch liegen!“ Neben den Sinnfragen quasi, die sich nur ganz wenige Menschen stellen. Oder, die sich zu stellen, nur ganz wenige Menschen leisten können.

Für 600 Dollar steht halb Kambodscha 10 Monate in einer Nähfabrik und schuftet sechs Tage die Woche. 600 Dollar forderte unlängst ein Polizist von einem französischen Freund, der in seiner Wohnung ausgeraubt wurde und den Vorfall auf dem Revier zur Anzeige brachte. „Ja, ohne eine Vorabzahlung könne die Polizei hier nicht arbeiten. Kostet ja alles Geld, telefonieren, herumfahren, recherchieren, andere bestechen, um was rauszubekommen!“

Und viele Dollars waren in der Tasche einer Freundin, kurz vor Mitternacht vor zwei Wochen. Freitagabend. Fünf vom Leben, vom Glücklich-Sein, vom Wein beschwipste Ausländer. Das offene Tuk Tuk knattert fröhlich, und unser Gelächter kullert über die Uferbrüstung des Mekongs. Ahnungslosigkeit, verstärkt von einer milden Brise, die vom Fluss in die Seelen weht. Und dann ein Schrei. Nicht laut, eher ein aufgeschreckter Schrei. „Meine Tasche!“ Von den Schenkeln heruntergerissen von einem vorbeifahrenden Moped. Zwei Männer. Zwei Profis. Jung und geschickt. Es dauerte nur eine Sekunde.

Freitag, 4. Juni 2010

Der Berg und die Ebene der weinenden Frau












Berge in Kambodscha sind heilig. Sie tauchen auf, unvorhergesehen. Liegen vor einem, wenn man müde von der Hitze der Ebenen ist und erschöpft von der Trostlosigkeit, die von vertrockneten Reisfeldern und staubigen Straßen ausgeht.

Etwas eigentümlich sehen sie aus. Wie Kegel, die ein Riese in Urzeiten in einem Zustand der Verwirrung in der flachen Landschaft hinterlassen hat. Vielleicht sind sie Zeugen eines alten Kampfs von Liebe und Tod. Vielleicht waren ihm die Berge auch nur zu schwer. Sie haben sich seitdem dem menschlichen Zugriff widersetzt. Zwar thronen auf ihren Häuptern oft goldene Pagoden, und Legenden ranken sich seit Jahrhunderten um sie, doch wenn die Natur einen letzten Ort gefunden hat, sich ihre Ursprünglichkeit zu bewahren in dieser seit mehr als 1500 Jahren abgenutzten Landschaft, dann dort, wo Berge stehen.

Die letzten geschlossenen und wilden Waldgebiete Kambodschas, sie liegen auf dem Rücken der Kardamon Mountains, den Elephant Mountains, sie liegen in Bergprovinzen Ratanakiri und Mondulkiri und wie Inseln im Meer auf den seichten Höhen der Kulen Mountains östlich von Angkor. Und eben dort, 40 Kilometer von den Tempeln des einstigen Imperiums entfernt, haben die Menschen das erste Mal die Berge erklommen, um dem Himmel näher zu kommen und ihre Götter zu verehren. Vishna, Shiva, Brahman - noch heute sind die Ruinen der, den drei höchsten Hindugötter gewidmeten Heiligtümer zu bewundern. Verwittert und zerfallen stehen sie dort, doch ihr Zauber ist noch nicht überwunden. Und selten nur, verläuft sich einer der 2 Millionen Touristen, die jährlich Angkor Wat besuchen, auf den abgelegenen Bergen Phnom Kraom, Phnom Bok und Phnom Dei. Dabei sind die Fernsichten auf die dschungelumrandeten Tempel von Angkor Wat oder die Aussichten auf den größten Süßwassersees Südostasiens Tonle Sap spektakulär - wenn es das Wetter erlaubt - gerade weil man in seiner Betrachtung in eine Vergangenheit zurückversetzt wird, die auf der Erde ihres Gleichen sucht. Anders dagegen Phnom Bakheng, der, direkt im Tempelbezirk der alten Angkorstädte gelegen, als zwar ältester Tempelberg Kambodschas gilt, doch pünktlich zu jedem Sonnenuntergang nicht vom späten Licht, sondern vom Blitzlicht erleuchtet wird.

Nun, ich würde niemals von einem Besuch von Phnom Bakheng abraten, denn wer einmal wirklich Treppen in den Himmel sehen will, der sollte diese emporsteigen. Nur ist es nicht ratsam, sich umzudrehen, zu schnell könnte ein böser Schwindel das Abenteuer jäh unterbrechen. Sind schon so viele vom Himmel gefallen.

Abseits von Angkor, auf der anderen Seite des Tonle Sap Sees liegen in der Nähe der träumerisch verschlafenen Stadt Battambang Karststeinhügel, die jeder Kambodschaner kennt, wenngleich die wenigsten von ihnen jemals eine Reise hierher unternommen haben. Der bekannteste Berg unter ihnen ist Phnom Sampeaou, nicht nur weil Kambodschas unsterblicher Sänger Sim Sisomouth ein Lied für den Berg dichtete („Your house is near Phnom Sampeou“). Auch seine grusligen Karststeinhöhlen, in die in den Zeiten der Roten Khmer die „Feinde der roten Revolution“ tausendfach zu Tode gestürzt wurden tragen nicht zum dunklen Ruhm des Berges bei. Es sind auch nicht die 2 Millionen Fledermäuse, die jeden Abend pünktlich zum Sonnenuntergang ihre Höhle verlassen, um als schwarze Schwärme über die Felder zu fliegen. Nein, der Berg ist bekannt durch die Legende von „Neang Rumsay Sok“ (Die Frau, die ihr Haar hinunterließ). Darin sucht der reiche Händler Reachkol vor vielen Jahrhunderten einen Eremiten auf, der ihm rät, Rumsay Sok zu heiraten. Zur Hochzeit, als Zeichen der Liebe, gibt dieser Rumsay Sok eine edelsteinverzierte, magische Stecknadel, um ihr langes Haar zu bändigen. Trotz der Vorsehung heiratet der Händler eine andere Frau, Neang Meka. Das Rad des Schicksals kommt in Gang. Ein Sohn wird geboren, und schon wendet sich das Blatt. Reachkol verlässt nach nur drei Jahren die Geliebte und Ehefrau, um zu seiner einst Angestammten zurückzukehren. Meka ist verbittert und erzürnt – wer würde ihr das verdenken – und sendet das blutrünstige Krokodil Atonn, um Reachkol und Rumsay Sok zu töten. Das Paar flieht in einem Boot, doch das Krokodil kommt näher und näher. Reachkol wirft erst einen Käfig voll von Hühnern dem Krokodil zum Fraß vor und dann einen gefüllt mit Enten. Doch Atonn, das Krokodil der Rache lässt sich nicht ablenken. In höchster Not lässt Rumsay Sok ihr Haar ins Wasser und die magische Haarnadel wirkt. Das Wasser trocknet aus, das Boot der Flüchtenden kommt auf einem hohen Felsen zu stehen, Phnom Sampeaou, und Atonn, das Krokodil sitzt auf einem anderen Felsen fest, gegenüber, und stirbt. Die beiden Frauen steigen dann in die Ebenen hinab und kämpfen um den Mann. Rumsay Sok, die noch immer die magische Nadel hat, siegt und spießt den Kopf der Nebenbuhlerin auf einen Bambus auf und zerstückelt ihren Körper, dessen Teile sie auf der Erde verteilt, die fortan die Ebene der weinenden Frau heißt.

Und die kambodschanische Moral der Geschichte? Rumsay Sok war die nach alter Tradition erwählte Frau. Das Tabu, eine arrangierte Ehe zu stören, verlangt den Tod der anderen. Dass diese frei geheiratet hatte und sogar einen Sohn gebar, zählte im alten Kambodscha nicht. Der Ehemann, der eigentliche Tabubrecher, geht ungestraft aus. Er sitzt glücklich mit seiner ihm angestammten Frau vereint auf dem Berg und blickt hinaus in die Ebene der weinenden Frau.

Vor den Füßen des Phnom Sampeaou liegt ein kleiner Hügel. Als ich jemanden frage, wie das Kloster auf seiner Spitze heißt, sagt man mir, Wat Ondaek, Kambodschas bekanntestes Vipassana Meditationszentrum. Man sagt mir auch, dass dort vor allem Buddhistische Nonnen ihren inneren Frieden suchen…

Fotos in der Reihe von oben: Kirirom; Phnom Bok; auf dem Phnom Bok mit Polen, Thonevath, Wibke, und einem anderen Angkorforscher; Phnom Kraom; Dara auf dem Phnom Kraom; die Treppen von Udong; Eang und ich auf dem Phnom Sampeaou; Flug der Feldermäuse auf dem Phnom Sampeaou; ich auf dem Phnom Sampeaou; Pagode am Fusse des Phnom Sampeaou; die Ebene der weinenden Frauen mit dem Vipanassa Kloster, Battambang Provinz