Freitag, 19. September 2008

Von Phnom Penh nach Saigon und Hanoi


Meine Lieben,

habt so viel Dank für eure Reaktionen auf meinen einsamen Text! Ich habe die Mails gelesen und den tollen Kommentar und mir geht es jetzt wieder viel besser. Ich wollte dennoch diesen Text über die Einsamkeit schreiben, denn dieses Gefühl beschleicht mich schon manches Mal nach 5 Monaten Kambodscha. Im Ausland, fern weg von zu Hause. Doch selbst in den dunkelsten Stunden - meine Lieben - bereue ich meine Entscheidung, hier leben zu wollen, nicht.
Im Gegenteil, die Herausforderungen liegen vor mir. Statt auszusteigen will ich noch mehr einsteigen. Statt mich zurückzuziehen, will ich mich viel lieber ausziehen oder mich aus mich selbst herausziehen. Mich häuten, loslassen, leicht werden. Da passte es ganz gut, dass mich heute morgen im Büro meine Lieblingskollegin Morokat, 35 Jahre, eine überaus beeindruckende buddhistische Persönlichkeit, gefragt hat, ob mir die Brise, die seit gestern durch Phnom Penh weht, aufgefallen ist. Oh, ich liebe Gespräche über das Wetter, die bei mir sofort ganz sinnliche Wahrnehmungen wachrufen. Und wirklich, ich hatte auf dem Monivong-Boulevard eine Sensation, derart, dass mich der kühlende Wind an die Ostsee erinnert hat. Auch der Himmel war gestochen blau und klar. Und mir war es, als würde ich an einen lichtdurchfluteteten Strand fahren und nicht ins Büro. Morokat erzählte mir, dass sie als Kind mit anderen Kindern in ihrem Dorf ganz sehnsüchtig wurde, wenn dieser Wind kam. Damals, kurz nach dem Pol-Pot-Regime, einer Zeit, schlimmster Entbehrungen, kündete der Wind die liebliche Jahreszeit an. Temperaturen um die 25 Grad, eine Zeit des Glücks nach dem Unglück, eine Zeit des Schwebens über den bedrückenden Verhältnissen hinweg. Es gibt ein Baum in Kambodscha, der heißt Phka Traeh (Hochzeitsbaum), und der fängt nun zu blühen an. Tausende von pinkfarbenen Blüten, vergleichbar mit der Kirschblüte in Deutschland, fliegen im Wind. Fegen über Kinderköpfe hinweg und landen tief in der Erinnerung. Da passt es doch ganz gut, dass ich jetzt zwei Wochen Urlaub habe und von Phnom Penh über Saigon nach Hanoi fahre. Mit der Eisenbahn immer an der vietnamesischen Küste Südostasiens entlang. Vorbei an Städten, Dörfern, Gärten und blühenden Hochzeitsbäumen... Ich bin zwar nicht auf Brautschau, doch gegen ein, zwei Blüten, da habe ich ganz sicher nichts :-)

Saigon: 20-23/09
Nha Thrang: 24-28/09
Hue: 29-30/09
Hanoi and Ha Long Bay: 1-4/10

Photo: Lotusblüte in meinem Garten

Dienstag, 16. September 2008

Bekannte und andere Krisen

Manchmal ist alles wie in Berlin. Manchmal ist alles ganz anders.

Da komme ich von einer Art-Exhibition-Vernissage und habe meine Bekannte, eine australische Künstlerin verpasst. Sie war von sechs bis sieben da, ich kam erst um acht. Naja, da stand ich also in Mitten der trendy-lustigen Expatszene in Phnom Penh und hielt mich tapfer an meinem Rotweinglas fest. Doch heute kannte ich niemanden. Ne, einen kambodschanischen Künstler sah ich, den hatte ich doch erst letzten Samstag kennengelernt. Der war aber umringt von Leuten, weil er selbst ausstellt. Ne flüchtiges Hallo. Nen freundliches „Sok sabai“ (Wohlergehen)
Nicht gerade der passende Gesprächspartner an diesem regnerischen Abend, der mich irgendwie auf unangenehme Weise mit einer unter Expatriats allzu bekannten Frage konfrontiert: Sind wir einsam?

Die Kellnerin räumt den Aschenbecher weg und ich stehe da mit meiner Zigarette, und muss jetzt in den Abgrund aschen … Wäre mir das an einem guten Tag auch passiert?

Naja, es gibt richtige Fragen und falsche. Und todsicher gehört die Frage, ob der Aschenbecher an einem guten Tag bei mir geblieben wäre, zu den falschen Fragen. Er ist jetzt einfach weg, genau wie meine Beziehung im fernen Berlin und meine Freunde: OH WIE SEHR VERMISSE ICH EUCH!

Jetzt sitze ich allein im Regen. Das ist jetzt gerade schauderhaft.

Aber da kommt schon wieder eine SMS angeflogen. Ne coole Frau aus London, die hier auch arbeitet, lädt mich spontan zu einem Film über Ladyboys ins Kino ein. Nur es ist ja bereits halb neun. Der Kurzfilm startete um halb acht. Da kann ich mich doch auch nicht mehr an den Ladyboys, sondern nur an einem Bierchen festhalten … Ne ne ne ne!
Viele Expats haben Alkoholprobleme. Viele halten sich hier an einer Flasche, statt an wirklichen Menschen fest.

Gestern brachte mir ein Bekannter ein Buch zurück, das er sich ausgeliehen hatte und roch schon oder noch um 18.00 h nach Alkohol. Bevor er sich dann in 20 Minuten zwei Gintonic in meiner Bude hinter die Binden gegossen hat. Ich hatte schon nach einem Gin Tonic das Gefühl, dass der Zweite den Abend jetzt nur schwindliger und nicht schöner macht.
Und wenn ich mit zwei anderen Bekannten ausgehe, dann haben sie in zwei Stunden dreimal so viele Drinks in sich hinein gekippt, wie ich. Warum trinken wir denn? Wollen wir vielleicht woanders leben? Oder anders leben?

So viele Bekannte. Bekannte? Was für ein komisches Wort. Das habe ich doch noch nie benutzt. Bekannt, mit was, mit wem, mit mir? Und dann gibt es unweigerlich diesen Augenblick, wo man merkt, dass man trotz der ganzen Bekanntschaften alleine ist.

Einsamkeit ist ja eigentlich ein europäisches Gefühl. Gibt es nicht die schönsten Bücher, die schlimmsten Filme aus Europa darüber?

Einsamkeit ist, nach Hause zu kommen, und niemand ist da. Einsamkeit ist alleine Abendbrot essen, oder noch schlimmer Dinner. Oh, auf welchen der vier Stühle an meinem Dining Table setze ich mich denn heute? Macht es Sinn, für mich allein die Kerzen anzuzünden? Einsamkeit ist, wenn man sich aus lauter Langeweile mal wieder seinen Kontostand anschaut. Oder wenn man Stunden im Internetchat rumhängt, obwohl man genervt ist, wenn mal wieder jemand von der digitalen Weltgemeinde antwortet. „Oh ja, mir geht’s gut!“ Und mehr gibt’s dann auch nicht zu sagen. Einsamkeit ist nur ein Kopfkissen im Bett. Oder wenn man morgens im Bad nur EIN Handtuch sieht. Nämlich sein eigenes!

Einsamkeit ist manchmal einfach nur die Unfähigkeit, mit sich selbst zufrieden zu sein. Genau! Das ist doch eine schöne Diagnose. Und das ist ja genauso wie in Berlin. Nur war in meinem Berliner Bad meistens noch ein zweites Handtuch da!

Ja, meine Lieben, so EIN Handtuch kann schon eine große Bedeutung haben. Deswegen hängen bei mir jetzt wieder zwei!

(Foto: Nach Mitternacht auf einer kambodschanischen Geburtstagsfeier in einer Karaokebar in Phnom Penh)

Sonntag, 7. September 2008

Ein Sonntag in Sepia










Ich glaube, es passierte in der letzten Woche. Plötzlich fand ich Phnom Penh schön. Es hat 5 Monate gedauert. So lange bin ich nun schon hier. Phnom Penh, in den 20er Jahren die Perle Südostasiens genannt, war für mich die Stadt, in der ich drei Jahren leben und arbeiten sollte. Und ich wusste immer, es hätte mich schlimmer treffen können. Doch es hätte mich sicher auch besser treffen können. Saigon, Hanoi oder gar Bangkok. Wie viel lieber hätte ich dort mein neues Domizil aufgeschlagen. Doch Phnom Penh?

Zwei Tage hatte ich jetzt Besuch von einem Freund aus Saigon. Und als er mich eben verließ, sagte er, er fände Phnom Penh einfach nur schön. So viele Bäume, so viele alte und neue Villen, so viele Wolken über der Stadt, die noch keine Hochhäuser hat. So freundliche Menschen. Prächtige Boulevards, der große Fluss, der Palast, die vielen Pagoden, das Stadium, die urbane Enge und dann wieder die unglaubliche Weite in der Stadt.

Ausländer schätzen die relaxte Atmosphäre, das gute Essen und die freundlichen Menschen. Und ich schätze, ich hatte 5 Monate die Augen zu. Ich fand Phnom Penh interessant und fühlte mich wohl. Doch jetzt sehe ich, was Phnom Penh einfach ist, eine Stadt, deren Schönheit man wirklich entdecken kann.