Freitag, 28. Januar 2011

Myanmar 3: Das Gold der Shwedagon










December, 27th, Shwedagon Pagoda, Yangon, Myanmar

Irgendetwas passiert mit dir. Plötzlich wirst du erfasst, von einer – Worte fallen dir dafür nicht ein – von einer Stimmung. Erfüllt von einer Anmut, die du niemals zuvor erfahren hast!

Es ist noch immer heiß an diesem Dezembertag, der sich mit einem späten Licht zu verabschieden beginnt. Barfuß pilgere ich über warme Marmorplatten, vorbei an einem Menschenstrom, der sich aus allen Kontinenten zusammensetzt. Der goldene Stupa ist kein Turm zu Babel, doch das Gewirr der Sprachen und die Heiligkeit des Ortes lassen mich unweigerlich daran denken, dass Menschen schon immer die Sehnsucht hatten, den Göttern nahe zu sein. Und vielleicht ist dieser alte Traum der Menschheit wirklich nur einmal aufgegangen, auf diesem Hügel in Yangon, der alten Hauptstadt von Myanmar.

Wir wandern links herum. Heiligen Orten in Asien zeigt man so seinen Respekt.

Forscher glauben, dass der Stupa irgendwann zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert durch das Volk der Mon erbaut wurde, aber diese Datierung ist umstritten. Möglicherweise verfiel der Stupa im Lauf der nächsten Jahrhunderte. Könige in Asien hatten oft eine Abneigung den Bauten ihrer Vorgänger gegenüber, von denen nicht wenige unfreiwillig starben. Die ersten halbwegs glaubwürdigen Berichte über den Stupa stammen vom Ende des 14. Jahrhunderts, als der Mon-König Binnya U im Jahr 1372 die Pagode errichtete oder, wie man auch sagen könnte, wieder aufbaute. Schon ein halbes Jahrhundert später stürmte mit dem König Binyagyan der Stupa gen Himmel und seine Spitze erreichte die seinerzeit ungeheure Höhe von 90 Metern.

Ihre jetzige Höhe von 98 Meter erlangte die Shwedagon unter König Hsinbyushin aus Ava im Jahre 1774. Die Königin selbst stiftete ihr Körpergewicht in Gold für die Verkleidung der Pagode. Blutiges Gold, so wird zürnend in Thailand noch heute berichtet, Tempelgold aus der damaligen thailändischen Hauptstadt Ayutthaya, die 1767 den Burmesen nach längerer Belagerung in die Hände viel. Als Thailands alte Hauptstadt, deren Reichtum damals mit Städten wie Amsterdam und London verglichen wurde, einer nie zuvor dagewesenen Plünderung, Brandschatzung und Vernichtung zum Opfer fiel, wächst kurze Zeit später der goldene Turm von Burma in ungeahnte Höhen.
Wollten seine Erbauer dem Krieg und seinen Flüchen, Schreien und seinem Entsetzen ein göttliches Ende bereiten? Dem grauenhaften Horizont als Vertikale entweichen, triumphieren oder um Vergebung flehen? Der Stupa als vom irdischen Leiden Unberührbarer?

Yangons Shwedagon Pagode auf dem Hügel im Norden der Stadt ragt seit Jahrhunderten, strahlend und erhaben, aus Burmas Geschichte, wie eine weiße Lotusblüte aus dem braunen, schlickerigen Sumpf.

Ich kann mich vor keinem Heiligtum verbeugen, das von Kriegen erzählt! Doch Burma liegt hier auf seinen Füßen, opfert, betet und fleht.

Krähenschwärme fliegen auf. Krächzend jagen sie über die Spitzen der 60 kleinen goldenen Stupas, die den Hauptchedi umgeben. Metallisch blau und schwarz schimmern ihre Flügel, mit denen sie flatternd eine Unruhe in den Abend bringen. Dort, auf 30 Metern Höhe, wo drei quadratische in achteckige Terrassen übergehen, bevor sie sich in fünf runden Terrassen verjüngen, dort wo so vollkommen der Übergang von einer quadratischen zu einer runden Form gelingt, und symbolisch der buddhistische Wandel von Werden und Vergehen, Leben und Tod angedeutet wird, ziehen die Vögel des Übergangs ihre Bahn. Als kannten diese schon immer ihren Ort.

„I began to see why the Buddhists regarded crows as sacred birds, symbols of transistence and decay. Their sacredness comes from their exceptional sence of danger, especially danger of death, and because they will eat corpes. In Buddhist tradition they are messengers of death.“
(Pascal Khoo Thwe: „From the land oft the green ghosts“, New York/London, 2002)

Die Shwedagon Pagoda wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals von schweren Erdbeben beschädigt. Die schlimmsten Schäden entstanden durch das Erdbeben von 1768, bei dem die Spitze des Stupas einstürzte. Ein neuer Hti (Ehrenschirm an der Spitze) wurde durch König Mindon Min im Jahr 1871 nach der Annexion von Zentralburma durch das Britische Imperium gespendet. Und noch ein weiteres Mal, 1970, beschädigte ein weiteres Erdbeben den Hti stark.

Auch für die burmanische Freiheitsbewegung ist die Shwedagon ein wichtiger Versammlungsort. 1920 revoltierten Studenten gegen die britische Kolonialregierung und wurden hier blutig niedergeschlagen. Der Hügel wurde kurze Zeit später in eine waffenstarrende Festung verwandelt, doch den Gang der Zeit konnten die Geschütze nicht mehr aufhalten. Burma wurde 1948 unabhängig. Und Aung San Suu Kyi, Burmas Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin, hielt hier ihre erste öffentliche Rede.

Jemand zupft an meinem Arm. Es ist eine Stunde vergangen. Ein junger Mönch aus Thailand, so sagt mein burmesischer Freund, hat noch kein Obdach für die Nacht. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen das Gold des Stupas in ein warmes, magisches Licht und zwei Reihen von Lotusblüten, die erste nach unten und die zweite nach oben zeigend, scheinen jetzt unterhalb seiner Spitze zu flirren. Der junger Mönch, 20 vielleicht, und des Englischen kaum mächtig, hat sich an einen Wachmann gewandt, nur um in Erfahrung zu bringen, dass es ausländischen Mönchen im von der Militärjunta beherrschten Burma nicht erlaubt ist, in buddhistischen Klöstern zu nächtigen. Und der Wachmann fragte meinen Freund und dieser dann mich, und so stehen wir vor der heiligen Shwedagon und sind wieder mit profanen Dingen beschäftigt.
Ja, sage ich, natürlich können wir den Mönch später mit nach Downtown nehmen, und ein preiswertes Hotelzimmer suchen. Der thailändische Mönch, so wird sich schon bald herausstellen, hat gedacht, er könne in meinem Hotelzimmer schlafen.

Der Wachmann, davon beseelt, so schnell eine Lösung gefunden zu haben für den buddhistischen Gast, nimmt mich zur Seite und sagt, er möchte mir nun etwas zeigen, denn nicht nur dieser Augenblick jetzt sei gut, sondern auch ich. Ein guter Mensch, murmelt er. Schon zieht er mich gen Süden, an kleinen Tempeln vorbei. Er sagt, ich solle mich jetzt hierher stellen, an diesen Rand. Genau hier! Und umdrehen und hinauf sehen! An dieser abwegigen Stelle stehe ich in diesem Augenblick allein. Meine Augen wandern nach oben, an der mit Goldplatten belegten Bananenblüte vorbei, dem obersten Teil des Chedi, auf dessen Spitze der Hti montiert ist, der goldene heilige Schirm.
Er sagt, Lotusblüte und Bananenblüte seien mit 13.153 Goldplatten gedeckt. Allein das Gewicht der Goldplatten wird auf 60 Tonnen geschätzt, an der Spitze befindet sich ein 76-karätiger Diamant. Der zehn Meter hohe und siebenstöckige Hti besteht aus Eisen und ist mit sieben vergoldeten Ringen verziert. Er wiegt über eine Tonne. Daran schließt sich eine Wetterfahne an, vom Wind bewegt und mit tausenden Diamanten, Rubinen und Saphiren verziert. In der Wetterfahne und im Hti befinden sich zusammengenommen 5451 Diamanten mit mehr als 2000 Karat Gewicht.

Er schiebt mich weiter, wenige Schritte über den Marmorboden, darauf bestehend, dass ich fortwährend nach oben blicke, schiebt mich strategisch wie ein Spieler seine beste Schachfigur. Und sagt, ich
müsste ES jetzt sehen, das Wunder von Myanmar. Den großen Rubin zuerst, der in fast 100 Metern Höhe blutrot im Licht der tiefstehenden Sonnenstrahlen funkelt. Und dann, einer glühenden Sternschnuppe gleich, den gelben Citrin. Und wieder schiebt er mich, diesmal nur wenige Zentimeter und es funkelt ein blauer Saphir so stark, so gleißend, als wäre er nicht von der untergehenden Sonne, sondern von einem Laser angestrahlt. Explodierende Farben, ein flirrendes Leuchten und Glimmen, ein Regenbogen, ein lautloses Lichtspektakel, das ich noch nie in meinem Leben sah. Schon verglüht ein riesiger Smaragd in einem kalten Grün. Er nimmt meinen Kopf in die Hände, ich habe mich schon längst ergeben. Bückt mich, dreht mich, und flüstert in mein Ohr, sieh noch einmal hinauf zum goldenen Schirm. Dort funkelt er, der letzte Stern, ein Amethyst, hinter dessen glitzerndem Violett die Sonne, so scheint es, für immer untergeht.

Benommen, betäubt werden wir später im Taxi sitzen, der Mönch zwischen uns. Ein billiges Hotel in Chinatown aufsuchen und mit dem Eigentümer einen Preis verhandeln. Das Zimmer wird kein Fenster haben, wie die meisten in den asiatischen Absteigen. Der Mönch wird uns anstarren. Er wird erst jetzt verstehen, dass wir weitergehen.


Die unbeschreiblich schönen Lichtbrechungen der Edelsteine der Shwedagon sind nur wenige Minuten kurz vor Sonnenuntergang und nur an bestimmten Tagen zu beobachten. Man muss im südwestlichen Außenbereich auf der Hauptterrasse stehen und sollte versuchen, den guten Willen eines ortskundigen Führers/Wachmannes auf sich zu ziehen…


Dienstag, 18. Januar 2011

Myanmar 2: Der General






December, 26th, auf einer nächtlichen Kirmis südlich der Shwedagon Pagode, Yangon, Myanmar

Ein Duft von glühender Holzkohle und gebratenen Kokoseierkuchen zieht durch die Nacht. Hunderte Burmesen schlendern an spärlich beleuchteten Marktständen vorbei, wühlen in Haufen von Altkleidern, die in Dutzenden angeboten werden oder kaufen Luftballons oder Lose. Selten sind Mangelwirtschaft und Kitsch, Armut und billiger Überfluss eine bizarrere Mischung eingegangen.

Ebenso bizarr wirken auch meine zwölf Begleiter auf mich. Eine burmesische Musikkapelle, Theaterleute, Sänger und Tänzerinnen. Wir schlängeln durch die Massen zur Bühne hin. Einer Polonäse gleich ziehen wir langsamen Schrittes über den Rummel, weichen auf dem Boden lagernden Menschen aus und springen über Gerölle, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres für einen Ausländer, der die ersten Nächte seines Lebens in Myanmar verbringt, auf einer weitläufigen Holzbühne aufzutreten, vor der sich bereits viele Schaulustige gelagert haben und keiner anderen darstellenden Kunst mächtig zu sein, als der kindlich über das Unvorhergesehene zu staunen.

Schon der ganze Abend fing befremdlich an. Denn es hieß, wir gehen noch einmal in das alte Haus der Musikinstrumentenbauer, von denen wir uns erst gegen 15.00 h überschwänglich verabschiedet hatten. So zumindest meint es unsere Freundin Ti verstanden zu haben, nur um sich kurze Zeit später zu entscheiden, gar nicht erst mitzukommen. Ich hasse es, verabredet zu werden und schlimmer noch, dann, mehr oder weniger allein hinzugehen. Entsprechend unschlüssig standen wir am frühen Abend vor der Tür, eigentlich erwartungslos.

Wieder wurden wir hineingebeten, und nahmen Platz auf der prächtigen Holzbank, die zweifelsfrei nur bedeutenden Menschen angeboten wird. Selbst unser burmesischer Freund Jojo, der sich dankenswerter als Übersetzer hat breitschlagen lassen, noch einmal ins Musikinstrumentenhaus mitzukommen, wirkt deutlich eingeschüchtert. Unbehaglich rühre ich in meinem Glas mit heißem Tee, das mir sofort hingestellt wird, schaufele etwas Zucker hinein, den ich sonst nie benütze, nur um die Zeit zu überstehen und begutachte die eingelegten, burmesischen Gemüse, die dazu gereicht werden. Die einzige Gabel in der Mitte des Tellers, mehr als zehn Anwesende, uns drei Gäste ausgenommen. Ja, denke ich mir, so kann man sich auch näherkommen… Freundlich und unbeholfen starren wir uns lächelnd an.

Aufbruch liegt in der Luft. Die Tür geht auf, und irgendjemand sagt, wir gehen jetzt los zum Konzert. Ich brauche Minuten, um zu realisieren, dass ich, wir uns in Mitten eines Ensembles befinden, das sich kurz vor einem langersehnten Auftritt befindet. Ein Ensemble, das über Burma hinaus bekannt ist für seine traditionelle Musik. Schon hüpft mein Herz voller Erwartung, nur um kurze Zeit später zu rasen anzufangen, nämlich dann, als wir vorbei an den Wartenden auf der Hinterbühne neben all den anderen professionellen Darstellern Platz nehmen. Was um alles in der Welt mache ich hier? Wo ist mein Kostüm? Welchen Clown muss ich mimen? Welchen Gesang anstimmen? Und schlimmer noch, was werde ich im Schatten der weltberühmten Shwedagon Pagode auf der Bühne zum Besten geben, wenn mal wieder eine der in Asien so üblichen „Begrüßung der ausländischen Gäste“ Show abgefeiert wird. Ja, denke ich mir, so muss es einst auch Kafka ergangen sein, in einer skurrilen Umwelt eingesperrt und mit Anforderungen konfrontiert zu werden, deren Erfahrungen wesentlich zu seinem genialisch verrückten Stil beigetragen haben.

Scheinwerfer flackern auf, geht es jetzt los? Wir sitzen jetzt mitten im Licht. Ich blicke mich um. Mein Freund To hat sich schon in eine herumliegende burmesische Decke gewickelt und versucht sich als Einheimischer zu tarnen. Und Jojo hat sich bereits im hintersten Bereich der Hinterbühne verzogen, und nimmt eine Mütze Schlaf. Doch halt, liegen nicht neben ihm noch ein Dutzend andere Männer und Frauen und schlafen? Wann geht es denn nun los? Die geschmückten Frauen mit den berühmten langen Hälsen neben mir unterhalten sich leise.

Die Schläfrigkeit auf der Hinterbühne passt so gar nicht zu dem hektischen Treiben außerhalb des Bühnenraumes, der von drei Seiten einsehbar ist. Hunderte von Burmesen stehen am Bühnenrand und versuchen einen Blick zu erhaschen, lächeln erwartungsvoll, necken sich oder nicken mir freundlich zu.

Ich frage den Leiter des Ensembles, der ein wenig Englisch spricht, wann die Vorstellung beginnen soll. Er lächelt mich an und sagt, sie würden dann anfangen, wenn der Senior General kommt. Der Senior General? Ja, der Senior General Than Shwe, der, wie man flüstert, gerade der goldenen Shwedagon Pagode einen inoffiziellen Besuch abstattet, wird danach auf dem Volksfest erwartet, dessen Höhepunkt die Musiktheateraufführung ist. Doch wann kommt der General? Niemand weiß es, niemand kann es sagen.

In einem Land, in dem es keine verlässlichen Informationen gibt, ersetzen Gerüchte den Wunsch nach Wahrheit. Und so richtet sich auch der Anfang einer Theateraufführung nach keiner Uhr, sondern nach dem ungesicherten Erscheinen des Königs.

So nämlich wird er Chef der Junta von seinen Landsleuten ironisch genannt, nur wenn diese sicher sind, dass kein Spitzel in der Nähe lauscht. Schon seit 1992 regiert der alte „König“ das unglückliche Land. Er ist nicht nur Chef der Junta, Regierungschef, Verteidigungsminister, er ist auch Oberbefehlshaber über die Streitkräfte, die zu einem der größten stehenden Heere der Welt angewachsen sind. Doch während die Privilegien der Junta-Kreise jeden Tag wachsen, verarmt das Volk. Der Volkszorn flammte jüngst auf, als Videoaufnahmen der Hochzeit von Than Shwes Tochter in Umlauf kamen, bei den Juwelen und Hochzeitsgeschenke im Wert von mehreren Millionen US-Dollar zur Schau gestellt wurden. Pharaonengleich ließ sich der selbstherrliche Than Shwe mit der neuen Hauptstadt Naypyidaw auch gleich ein Denkmal für die Ewigkeit bauen. Doch eines scheint mir im Licht der Geschichte gewiss, selbst dieses Denkmal wird eines Tages eingerissen werden.

Doch noch hat die Junta über die Jahre hinweg diverse Palastrevolten niedergehalten – letztmals mit dem Sturz von Sicherheitschef Khin Nyunt, der das noch präsentabelste Gesicht der Junta war. Khin Nyunt hatte offene Gespräche mit Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi gefordert. Einen Dialog mit der Opposition lehnt Than Shwe rigoros ab, bei der bloßen Nennung des Namens „Aung San Suu Kyi“ soll er zusammenzucken. Eine freie Presse existiert nicht, unliebsame Journalisten werden ins Gefängnis geworfen. Than Shwe‘s Wirtschaftspolitik hat das Land mittlerweile nahezu ruiniert. Die nach wie vor blühende Korruption wird geduldet, solange die Beteiligten dem Staatschef loyal sind. Gleich hart ging die Junta gegen Familienkreise des exzentrischen Altdiktators Ne Win vor. Alles Zeichen, dass die Junta nicht zögert, aus ihrer Spitze selbst Mitstreiter zu verdammen, denen man nicht mehr bedingungslos trauen kann. Man möchte glauben, das Land wird von Psychospathen beherrscht. Und das hat sich auch nach der Freilassung von Aung San Suu Kyi nicht verändert, die seit kurzem wieder durch Yangons Gegenwart geistert.

Drei Stunden sind vergangen, die Musiker haben sich zwischen die Instrumente zum Schlafen gelegt. Es ist kurz vor Mitternacht. Hier ragt ein Fuß aus den Gongs, dort liegt ein Kopf auf den Trommeln. Noch immer ist der General nicht gekommen. Und noch immer stromern die Massen über den nächtlichen Markt. Stöbern nach Brauchbarem in einem Land, das eigentlich alles hat, Gold, Erdöl, Reis, Diamanten, Teakholz, die freundlichsten Menschen und vielleicht auch die, an elende Zustände verlorensten, alles hat, außer eine gewisse Aussicht auf Zukunft.

Myanmar 1: Der Anruf




December, 25th, Orchid Hotel, Anawratha Road, Ecke Botataung Pagoda Road, Yangon, Myanmar

Der Anruf!

Gehört es nicht zu den aufregendsten Momenten im Leben eines Reisenden, wenn man in einer fremden Stadt ankommt, der Porter die Koffer im Hotelzimmer abstellt, und mit einer, für unsere Verhältnisse übertriebenden Verbeugung die Zimmertür von außen schließt und dann plötzlich das Telefon klingelt?

Es fällt kaum Licht in das Zimmer, an diesem späten Nachmittag in Yangon, der ehemaligen Hauptstadt von Myanmar, die den meisten Menschen noch als Rangun bekannt ist. Freunde haben uns vom Airport abgeholt, in einem Privatauto, das für hiesige Verhältnisse Luxus bedeutet, denn es hatte Fenster, eine Seltenheit in Myanmar. Die breiten Alleen sind von mächtigen tropischen Bäumen gesäumt, ein vergoldeter Torbogen, durch den wir fahren, verstärkt die Exotik des Ankommens in einer Stadt. Willkommen im Land der goldenen Tempel.

Ich gehe an den Hörer, eine warme Stimme ist am anderen Ende des Apparats. Ja, sage ich, wir können uns morgen treffen, um 10.00 h früh. Wo? Ja, an der Rezeption des Hotels. Ob ich ihn zurückrufen könne, frage ich noch…Nein, sagt er, er habe kein Telefon. Er würde, falls es zu spät werden sollte, einfach auf mich warten.

Die Mehrheit der Burmesen hat kein Telefon. Die Regierung, wenn man bei einem „sozialistischen“ Regime überhaupt davon sprechen kann – manche Worte setzten einfach zu viel voraus – hat kein Interesse daran, dass sich ihre Landsleute anrufen können. Es gibt auch kaum Internet, abgesehen von den wenigen Hotels, in denen ausländische Berater, Geschäftsleute und vereinzelt Touristen absteigen.

So wundert es nicht, dass die Ankunft in Myanmar westlichen und auch östlichen Touristen vorkommen muss, wie eine Reise in eine andere Zeit. Auf den Bürgersteigen der Innenstadt, die sich unter den kruden Bedingungen bis zur Unkenntlichkeit verbogen haben, stehen auf kleinen Plastiktischen Telefone. Sonnenschirme sind darüber gespannt und die Menschen telefonieren. Sie rufen sich von einem öffentlichen zum anderen öffentlichen Fernsprecher an, oder jemandem im Büro, das ein Telefon besitzt. Wenn man eine burmesisches Jahresdurchschnittseinkommen von 500 $ investiert, kann man sich auch ein eigenes Telefon leisten. Vorausgesetzt, man hat noch Geld zum Überleben. Grundnahrungsmittel sind teuer in einem Land, das einst die Reisschüssel Asiens war. Trotz galoppierender Inflation gehen noch immer mehr als 50 % des Staatshaushalts an das Militär, die Polizei und an die Geheimdienste.

Ich trinke auf der Straße Tee, sitze auf einem viel zu kleinem Plastikstuhl und beobachte die Menschen, die in langen Kleidern (Longy) an mir vorbeieilen. Männer wie Frauen. Die Regierung mag auch Hosen nicht, so lese ich in einem Buch. Sie hüpfen über Schlaglöcher und Risse mit einer Gewandtheit, die man in Yangon nur als Kind schon gelernt haben kann…


Dienstag, 11. Januar 2011

Freunde gehen!

Ihr Lieben,

leider gibt es in meinem Blog nicht nur eine Besuchergalerie meiner Gäste, sondern auch eine, in der ich an meine Freunde denke, die hier in Phnom Penh gelebt haben und jetzt weggegangen sind. In der Stadt, in die täglich neue Menschen stoßen, packen andere wiederum ihre Sachen und gehen weg. Gerade unter Expats, die sich das erste mal sehen, ist die Frage, "Und für wie lange bleibst du?" oft ausschlaggebend, ob man sich in der nächsten Woche noch einmal trifft... Diejenigen, die hier schon länger wohnen, haben mir erzählt, dass es manchmal richtige Ausreisewellen gibt... und dann ist fast kaum einer mehr da... Verträge laufen aus, oder neue Chancen bieten sich anderswo. Also ich habe meine erste Ausreisewelle in im Sommer 2009 überlebt; und wie es aussieht, wird mich der Wind des Lebens auch bald wieder nach Hause fegen...

Fotos: Andrea (13) ging nach Berlin zurück, wir haben fast drei Jahre Tür an Tür in Street 322 gewohnt und oft zusammen geluncht, Thomas (12) aus München und Beau (11) aus Myanmar, gingen, nachdem sie drei bzw. ein Jahr in Kambodscha gelebt haben nach Yangon (Rangoon), Myanmar, um ein Reisebüro aufzumachen, Paul aus Thüringen (10), war ein Jahr in Kambodscha und kehrte zum Studium nach Deutschland zurück, Ania, (9) (links im Bild) ging zurück nach Polen, wo sie aber nicht lange bleiben wird, denn sie hat noch was anderes vor... Adel (8) (rechts im Bild) ging nach drei Jahren Kambodscha zurück nach New York, Samphos (7) ging nach Tokio, Japan, um den Japanern von Cambodia zu erzählen; Thonevath (6) ging nach Strung Treng, Cambodia, um Blumen in seinem neuen Garten zu züchten; (5) Kim ging nach Windsor, Kanada, weil seine ganze Familie auswandern will; Polen (4) ging nach Siem Reap, Cambodia, um in einem Hotel zu arbeiten; Carlos (3) ging nach London, UK, um Kunst zu machen; Boline (2) ging nach Amsterdam, Holland, um Architektur zu studieren; Victoria (1) ging erst nach Sihanoukville, Cambodia, um dort in einer NGO mit Kindern zu arbeiten und lebt jetzt in Brighton, England..
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