Dienstag, 18. Januar 2011

Myanmar 1: Der Anruf




December, 25th, Orchid Hotel, Anawratha Road, Ecke Botataung Pagoda Road, Yangon, Myanmar

Der Anruf!

Gehört es nicht zu den aufregendsten Momenten im Leben eines Reisenden, wenn man in einer fremden Stadt ankommt, der Porter die Koffer im Hotelzimmer abstellt, und mit einer, für unsere Verhältnisse übertriebenden Verbeugung die Zimmertür von außen schließt und dann plötzlich das Telefon klingelt?

Es fällt kaum Licht in das Zimmer, an diesem späten Nachmittag in Yangon, der ehemaligen Hauptstadt von Myanmar, die den meisten Menschen noch als Rangun bekannt ist. Freunde haben uns vom Airport abgeholt, in einem Privatauto, das für hiesige Verhältnisse Luxus bedeutet, denn es hatte Fenster, eine Seltenheit in Myanmar. Die breiten Alleen sind von mächtigen tropischen Bäumen gesäumt, ein vergoldeter Torbogen, durch den wir fahren, verstärkt die Exotik des Ankommens in einer Stadt. Willkommen im Land der goldenen Tempel.

Ich gehe an den Hörer, eine warme Stimme ist am anderen Ende des Apparats. Ja, sage ich, wir können uns morgen treffen, um 10.00 h früh. Wo? Ja, an der Rezeption des Hotels. Ob ich ihn zurückrufen könne, frage ich noch…Nein, sagt er, er habe kein Telefon. Er würde, falls es zu spät werden sollte, einfach auf mich warten.

Die Mehrheit der Burmesen hat kein Telefon. Die Regierung, wenn man bei einem „sozialistischen“ Regime überhaupt davon sprechen kann – manche Worte setzten einfach zu viel voraus – hat kein Interesse daran, dass sich ihre Landsleute anrufen können. Es gibt auch kaum Internet, abgesehen von den wenigen Hotels, in denen ausländische Berater, Geschäftsleute und vereinzelt Touristen absteigen.

So wundert es nicht, dass die Ankunft in Myanmar westlichen und auch östlichen Touristen vorkommen muss, wie eine Reise in eine andere Zeit. Auf den Bürgersteigen der Innenstadt, die sich unter den kruden Bedingungen bis zur Unkenntlichkeit verbogen haben, stehen auf kleinen Plastiktischen Telefone. Sonnenschirme sind darüber gespannt und die Menschen telefonieren. Sie rufen sich von einem öffentlichen zum anderen öffentlichen Fernsprecher an, oder jemandem im Büro, das ein Telefon besitzt. Wenn man eine burmesisches Jahresdurchschnittseinkommen von 500 $ investiert, kann man sich auch ein eigenes Telefon leisten. Vorausgesetzt, man hat noch Geld zum Überleben. Grundnahrungsmittel sind teuer in einem Land, das einst die Reisschüssel Asiens war. Trotz galoppierender Inflation gehen noch immer mehr als 50 % des Staatshaushalts an das Militär, die Polizei und an die Geheimdienste.

Ich trinke auf der Straße Tee, sitze auf einem viel zu kleinem Plastikstuhl und beobachte die Menschen, die in langen Kleidern (Longy) an mir vorbeieilen. Männer wie Frauen. Die Regierung mag auch Hosen nicht, so lese ich in einem Buch. Sie hüpfen über Schlaglöcher und Risse mit einer Gewandtheit, die man in Yangon nur als Kind schon gelernt haben kann…


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