Dienstag, 16. September 2008

Bekannte und andere Krisen

Manchmal ist alles wie in Berlin. Manchmal ist alles ganz anders.

Da komme ich von einer Art-Exhibition-Vernissage und habe meine Bekannte, eine australische Künstlerin verpasst. Sie war von sechs bis sieben da, ich kam erst um acht. Naja, da stand ich also in Mitten der trendy-lustigen Expatszene in Phnom Penh und hielt mich tapfer an meinem Rotweinglas fest. Doch heute kannte ich niemanden. Ne, einen kambodschanischen Künstler sah ich, den hatte ich doch erst letzten Samstag kennengelernt. Der war aber umringt von Leuten, weil er selbst ausstellt. Ne flüchtiges Hallo. Nen freundliches „Sok sabai“ (Wohlergehen)
Nicht gerade der passende Gesprächspartner an diesem regnerischen Abend, der mich irgendwie auf unangenehme Weise mit einer unter Expatriats allzu bekannten Frage konfrontiert: Sind wir einsam?

Die Kellnerin räumt den Aschenbecher weg und ich stehe da mit meiner Zigarette, und muss jetzt in den Abgrund aschen … Wäre mir das an einem guten Tag auch passiert?

Naja, es gibt richtige Fragen und falsche. Und todsicher gehört die Frage, ob der Aschenbecher an einem guten Tag bei mir geblieben wäre, zu den falschen Fragen. Er ist jetzt einfach weg, genau wie meine Beziehung im fernen Berlin und meine Freunde: OH WIE SEHR VERMISSE ICH EUCH!

Jetzt sitze ich allein im Regen. Das ist jetzt gerade schauderhaft.

Aber da kommt schon wieder eine SMS angeflogen. Ne coole Frau aus London, die hier auch arbeitet, lädt mich spontan zu einem Film über Ladyboys ins Kino ein. Nur es ist ja bereits halb neun. Der Kurzfilm startete um halb acht. Da kann ich mich doch auch nicht mehr an den Ladyboys, sondern nur an einem Bierchen festhalten … Ne ne ne ne!
Viele Expats haben Alkoholprobleme. Viele halten sich hier an einer Flasche, statt an wirklichen Menschen fest.

Gestern brachte mir ein Bekannter ein Buch zurück, das er sich ausgeliehen hatte und roch schon oder noch um 18.00 h nach Alkohol. Bevor er sich dann in 20 Minuten zwei Gintonic in meiner Bude hinter die Binden gegossen hat. Ich hatte schon nach einem Gin Tonic das Gefühl, dass der Zweite den Abend jetzt nur schwindliger und nicht schöner macht.
Und wenn ich mit zwei anderen Bekannten ausgehe, dann haben sie in zwei Stunden dreimal so viele Drinks in sich hinein gekippt, wie ich. Warum trinken wir denn? Wollen wir vielleicht woanders leben? Oder anders leben?

So viele Bekannte. Bekannte? Was für ein komisches Wort. Das habe ich doch noch nie benutzt. Bekannt, mit was, mit wem, mit mir? Und dann gibt es unweigerlich diesen Augenblick, wo man merkt, dass man trotz der ganzen Bekanntschaften alleine ist.

Einsamkeit ist ja eigentlich ein europäisches Gefühl. Gibt es nicht die schönsten Bücher, die schlimmsten Filme aus Europa darüber?

Einsamkeit ist, nach Hause zu kommen, und niemand ist da. Einsamkeit ist alleine Abendbrot essen, oder noch schlimmer Dinner. Oh, auf welchen der vier Stühle an meinem Dining Table setze ich mich denn heute? Macht es Sinn, für mich allein die Kerzen anzuzünden? Einsamkeit ist, wenn man sich aus lauter Langeweile mal wieder seinen Kontostand anschaut. Oder wenn man Stunden im Internetchat rumhängt, obwohl man genervt ist, wenn mal wieder jemand von der digitalen Weltgemeinde antwortet. „Oh ja, mir geht’s gut!“ Und mehr gibt’s dann auch nicht zu sagen. Einsamkeit ist nur ein Kopfkissen im Bett. Oder wenn man morgens im Bad nur EIN Handtuch sieht. Nämlich sein eigenes!

Einsamkeit ist manchmal einfach nur die Unfähigkeit, mit sich selbst zufrieden zu sein. Genau! Das ist doch eine schöne Diagnose. Und das ist ja genauso wie in Berlin. Nur war in meinem Berliner Bad meistens noch ein zweites Handtuch da!

Ja, meine Lieben, so EIN Handtuch kann schon eine große Bedeutung haben. Deswegen hängen bei mir jetzt wieder zwei!

(Foto: Nach Mitternacht auf einer kambodschanischen Geburtstagsfeier in einer Karaokebar in Phnom Penh)

1 Kommentar:

yadzia hat gesagt…

lieber b,
einsamkeit kann aber auch der impuls sein:

- ganz neu starten zu können

- sich neue horizonte zu erschließen

- die eigene stimme wieder hören zu können.

und ich bin mir ganz sicher, du wirst die einsamkeit überwinden und positives daraus ziehen können.

ganz dickes umarmerchen und am we mal wieder skypen?

kuss u