Dienstag, 28. April 2009

Eiskalt erwischt!








Die laotische Köchin näherte sich langsam. Ich bemerkte nur ein leichtes Grinsen in Thonevaths Gesicht und drehte mich kurz um und redete dann weiter, nichts ahnend.
Ich sah nicht die große Waschschüssel in ihren Händen, mit der sich die Köchin mühsam unserem Tisch näherte. Ich achtete nicht auf ihr Gesicht, ihr unterdrücktes Lachen, sah nicht ihre vom schleppen der bis zum Rand mit Wasser gefüllten Schüssel leuchtend roten Wangen.
Ich redete, bis mich ein schrill hervorgestoßenes „Happy new Year“ unterbrach und sich ein unendlich großer Strom von Wasser über meinen Rücken ergoss!

Meine Freunde am Tisch stoben auseinander und ich schnellte schreiende in die Höhe. „Nein, nicht schon wieder! Bin ich ein Wassermann?“ Schon in der nächsten Sekunde drehte ich mich, sah die Köchin, die sich jetzt vor Lachen fast am Boden krümmte und griff, kalt vom Wasser und zitternd vor Zorn, nach meinem laotischen Bierglas und dachte jetzt gar nicht lange nach. Mit einem Sprung stand ich neben ihr und schon klatschte laut das Bier in ihr Gesicht.
So! „Happy New Year und schöne Grüße aus Germany!“ Schade, dass ich nicht 1000 Neuköllner Böller in meiner Tasche habe! Die Köchin, die uns den ganzen Abend so wundervoll bekocht und bedient hatte, in ihrem Straßenrestaurant am Ufer des Mekong, lachte umso mehr. „Bier??????“ Ja, Bier sagte ich. Und ich will jetzt ein neues!
Wir sitzen 5 Minuten später wieder am Tisch, nachdem wir die Stühle trocken gerieben haben, doch als wir feststellten, dass auf unseren Tellern die Essensreste im Wasser schwammen und sich die Köchin unserem Tisch erneut mit einer Wasserschüssel näherte, beschlossen wir, einfach mitzumachen.

Hatte ich das nicht alles schon einmal? April 2008? Ja, damals war ich die erste Tage in Asien und erlebte die wundervollen Neujahrsrituale in Kambodscha ebenso hautnah wie jetzt hier in Laos. Doch ein Jahr „Eintauchen“ in eine andere Kultur ist an mir nicht spurlos vorüber gegangen! Ich weiß jetzt, dass ich auch wieder „Auftauchen“ kann!

Kurze Zeit später, meine Lieben, hättet ihr einen kleinen Holztisch am Straßenrand sehen können, und 4 Kambodschaner, einen Deutschen, 2 laotische Jugendliche und die nach laotischem Bier duftende Wirtin – wenn es eine interkontinentale Verbindung nach Deutschland gegeben hätte.
8 kleine Feier- oder Fieslinge. Am Straßenrand, in der Dunkelheit einer milden und doch unruhigen tropischen Nacht. In der südlaotischen Provinz – man kann ja Prakse unmöglich Stadt nennen!
8 Menschen, mit Waschschüsseln bewaffnet oder Gläsern, lauernd. Und sich nähernde Mopeds, Fahrräder oder Pickups.
Und dann einen grellen Schrei hören aus acht Kehlen, in drei Sprachen. Und das aufklatschende Wasser der Opfer, von denen einige noch kühn auf die andere Straßenseite zu retten versuchten, bevor sie auch dort von einer lauernden Wasserschüssel erwischt wurden.
Man muss natürlich dazu sagen, dass die Uferpromenade freiwillig von vergnügungssüchtigen Laoten aufgesucht wurde. Es sprach sich wohl schnell rum, dass es hier was zu erleben gibt. Irgendwann sprach sich auch herum, dass die Fieslinge vom Ufer in fortgeschrittener Stunde auf Anraten der Wirtin Eiswürfel in das Wasser machten. Jedenfalls ebbte der Verkehr urplötzlich ab und die Schreie der vereisten Opfer klangen noch entsetzlich und lange nach. Nach zwei Stunden war Schluss. Wir schauten uns an. In der Dunkelheit leuchteten unsere weißen Gesichter vom Mehl bestäubt. Und unsere Sachen tropften. Verschwitzt waren wir und doch auch gesegnet. So viel heiliges Wasser. Nicht nur auf den Straßen in Südostasien. Sondern auch in den Pagoden, in die zum neuen Jahr Millionen Buddhisten pilgern, um auf die Buddhas dort Wasser zu gießen, sie zu ehren, sie zu erfreuen. Ganze Kirchen unter Wasser. Duftendes Wasser, leuchtende Blüten darin. Warmes Blütenwasser. Sinnlich und auf eine ganz meditative Art betäubend. Das Wasserwerfen ist Teil eines uralten Rituals, mitten im heißesten Monat. Zu Neujahr.

Drei Tage später wird man mir berichten, dass im Norden von Laos, Luan Prabang, gleich ein Feuerwehrauto durch die Stadt gefahren sei, um mit tosendem Strahl die Bevölkerung und die Touristen zu begrüßen.
Und eine Kollegin kam Montag nicht ins Büro. Todesfall. Zwei Brüder sind während der Feiertage mit dem Moped tödlich verunglückt.
Zu viel Bier, zu viel Wasser, Sylvester ist auch hier ein gefährlicher Spaß.

PS. In Kambodscha ist das Wasserwerfen zum Neujahr seit einem Jahr per Gesetz verboten. Hält sich aber keiner dran!

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