Sonntag, 5. April 2009

Der große Strom









Flüsse werden mit schöner Regelmäßigkeit Lebensadern genannt. Und das ist, solange der Mensch nicht mit tödlichen Giftstoffen und gigantischen Begradigungsprojekten oder Staudämmen den Strömen das Leben raubt, eine der treffendsten Metaphern in unserer Sprache, die unschätzbare Bedeutung der Natur zu beschreiben.
Lebensadern! Hier in Südostasien denken die Menschen dabei vor allem an ihren Mekong. Er entspringt den hohen chinesischen Bergen und fällt – als einer der längsten Flüsse der Welt über 5000 Meter hinunter – dem südchinesischen Meer entgegen. Vietnamesen nennen den Mekong den Fluss der neun Drachen, weil er sich im Mekongdelta in neun mächtige Ströme auffächert.
Wer einmal im Delta war, der wird sich ein Leben lang an die unvorstellbaren Wassermassen erinnern, an die ewig feuchten, schlammigen Böden, die zahllosen schwimmenden Dörfer, die Mangrovenwälder, deren Wurzellabyrinthe den ewig fließenden Strom zu besänftigen suchen.

Im Mekong leben über 1300 Fischarten. Die größten unter ihnen werden bis zu 3 Meter lang. Der Mekong Wels, ein Raubfisch, der in der Nacht oder im trüben Schlamm auf Beute wartet und auch kleine Säugetiere frisst, gehört dazu genauso wie die Gigant Barb.

Das aber habe ich meinen Freunden heute früh nicht verraten, wären sie sonst zum jährlichen Mekong-Schwimmen mitgekommen? So ziehen wir mit dem anbrechenden Morgen an die Riverside von Phnom Penh. „Mekong-Swim“ – ein vor allem bei Expats beliebtes Sportevent hat exakt 104 Schwimmer und Schwimmerinnen mobilisiert und ca. 200 Zuschauer. Gemeinsam stechen wir in See, lassen uns von Dehnübungen der Schwimmprofis mächtig beeindrucken, die an Deck des Boots sich posenhaft warmmachen. Und genauso schielen wir uns unsicher an, als wir das Registrationsformular durchlesen. Tödliche Unfälle oder Ertrinken sind dem Veranstalter des „14 Mekong-Swim“ nicht anzulasten. Ja wem den sonst, fragen wir uns??? Und als das Megaphon noch einmal die endlos lange Liste der Gefahren in unsere Ohren hämmert: „Waren Sie letzte Nacht aus und haben Alkohol getrunken?“ „JAAAAA!“ „Hatten Sie möglicherweise zu wenig Schlaf und fühlen sich nicht ausgeruht?“ „Ja, natürlich, dass trifft ja auch zu!“ „Oder sind Sie möglicherweise schlecht im Training und könnten mit der mächtigen Flussströmung ein Problem bekommen?“ „Training????????????????????????? Christine hat vor 20 Jahren das letzte Mal trainiert, Katrin und ich sehen uns nur an und sagen ‚UND WIR NOCH NIE!!!‘ L“

Da haben wir noch einmal schwer gerungen, nicht doch lieber auf das Schiff der gutgelaunten Zuschauer zu wechseln. Aber wie es so ist mit dem Gruppenzwang. Wir waren zu fünft und Thonevath, unser kambodschanischer Freund mit 63 Jahren, ließ lächelnd keinen Zweifel erkennen.

Und los geht’s; hinein in die Fluten.

22 Minuten und 40 Sekunden später erreicht der erste von uns das andere Ufer. Menschen jubeln, Fotokameras blitzen. Man steht noch im Schlamm und muss schon den Helden mimen. Den Strom bezwungen, den Mekong überlebt! Doch nur ein Schritt weiter, und der Fluss greift noch einem gierig mit seinem braunen Armen nach uns. Wir, das Wasser eben nur noch an den Waden habend, sacken bis weit über die Hüften ein. Glitschig schlammt das Wasser auf.

Es ist wie Moor, mit doppeltem Boden. Und unter dem Boden, keinen Grund!

1 Kommentar:

yadzia hat gesagt…

ach, was für eine tolle geschichte. und das wo ich kürzlich gerade etwas über eine tolle mekong-kreuzfahrt gelesen habe und mir vorgestellt habe, die im nächsten jahr mit dir und henry vielleicht zu unternehmen... mmhhh... schööön!!!

viele liebe ostergrüße nach pp. freue mich schon ganz doll auf in vier wochen!

kusskuss, y.