Samstag, 30. August 2008

Please don't let me die!




In einer anderen Welt zu arbeiten und eine andere Sprache zu sprechen führt über kurz oder lang immer wieder mal zu peinlichen Situationen:







Ich leite einen zweitätigen Programm- und Führungskräfteworkshop in Phnom Penh, an dem 16 Kollegen meiner NGO teilnehmen. Es geht darum, meine Kollegen zu unterrichten, wie mal eine Studie macht, um herauszufinden, was unsere beneficiaries – in Deutschland sagen wir Zielgruppe oder Klienten – über den empfangenen Service seitens der NGO denken. Früher wurden diese Studien für viel Geld an externe Berater vergeben. Jetzt bin ich ja da und mach das selbst. Der Vorteil: Ich kenne meine Kollegen besser und weiß, was sie brauchen, um zu lernen, doch manchmal auch nicht :-)

Ich gehe völlig gestresst in den Workshop, habe 7 Tage durchgearbeitet und morgens um 2.00 h noch ne Powerpoint-Präsentation hergestellt, denn Expertenwissen in Kambodscha wird gerne mit einer technischen Expertise übersetzt. Da hilft auch meine gute Laune nicht. Die gibt’s dann gratis!

Der Vormittag läuft smooth. Und dennoch, gegen 16.00 h, wirken alle erschöpft. Gewöhnt, internationalen Beratern zuzuhören, auch wenn man nicht allzu viel versteht, entgeht mir aber nicht, dass die Augen meiner Kollegen am Nachmittag noch ein bisschen schlitziger sind als asiatisch üblich. Ich beschließe, mit meinen Kollegen ein Rollenspiel zu machen. Mein erstes in Asien!

Schnell zimmere ich eine Szene zurecht. „Frau X bekommt in ihrem Dorf Besuch von einem Mitarbeiter der NGO, der sie hinsichtlich Leistungen und Zufriedenheit mit der NGO interviewen will. Frau X ist seit 6 Monaten HIV positiv und sehr aufgewühlt. Im Hintergrund spielen Kinder.“

Meine Frage, wer Frau X spielen will, verhallt im Raum. Ich warte ne Weile und sehe dann hilfesuchend meine engste Kollegin an: „PLEASE DON’T LET ME DIE!!!“

Funktioniert! Und dann spreche ich einen super fitten Kollegen direkt an, er möge doch bitte als Rolemodel den Mitarbeiter spielen, wir könnten alle von ihm lernen. Geschmeichelt willigt er ein.

10 Minuten später Auswertung.

Die Kollegen sind putzmunter. Ich denke noch, ich mach jetzt immer Rollenspiele!!!

Alle geben Rückmeldungen. Es gibt Applaus. Alles schön. Fand ich auch. Na ja, vielleicht zu wenig Vorkontakt im Rollenspiel? Kann man wirklich nach zwei Minuten Vorkontakt gleich losfragen???

In der schönsten Gruppenharmonie höre ich mich sagen, dass es wichtig ist, unsere Klienten mehr abzuholen. Sich Zeit nehmen, in Kontakt gehen. Auch mal einen Kaffee annehmen oder gemeinsam nen Stück Kuchen essen. KUCHEN ESSEN?????????????????

Oh Scheiße!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Keiner reagiert, alle gucken nur unverständlich. Logisch.

Frau X hat in ihrem Leben noch kein Stück Kuchen gegessen, geschweige denn Kaffee getrunken. Weil bitter arm, kein Geld dafür und auch keine landesübliche Tradition …

Ich kann mich jetzt nicht erinnern, wie es weiterging. Sicher habe ich weitergeredet. Sicher hat der Direktor zum Schluss noch was gesagt. Es war ja eh gleich 17.00 h.

Später habe ich an die französische Königin Maire Antoinette gedacht. Die büßte ihre Abgehobenheit in der französischen Revolution mit dem Kopf. Als sie von einem Minister unterrichtet wurde, dass das Volk kein Brot haben würde und hungern müsste, fragte sie unschuldig, wieso sie denn keinen Kuchen essen?

Mein Kopf ist noch dran. Aber um eine Erfahrung reicher!

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