Sonntag, 18. April 2010
Hong Kong Dialog 3
April 12th, 2010, 21.00 h, Hotel Butterfly on Prat, Kowloon, Hong Kong
Ich bin auf meinem Zimmer. Mein Telefon klingelt.
B: Hello
A: Ich bin‘s. Also, ich kann erst ab 22.00 h. Sorry! Hab noch einen Kabelfritzen in der Wohnung. Ich habe seit Tagen Problemen mit meinem Internet.
B: Kein Problem, ich bin ja im Urlaub.
A: Ich hab mir außerdem noch Essen bestellt, das wird gleich gebracht. Und wenn ich Essen habe, dann muss ich erst einmal alles aufessen.
B: Ja, aber dann können wir doch auch gemeinsam essen, ist doch eh viel gemütlicher. Mich stört der Kabelfritze auch nicht!
A: Ne, lass mal, ich esse und dann kannst du kommen. Du kannst dir was zu essen auf der Straße kaufen. Okay?
B: Okay. Und wie muss ich nun fahren? Ich wohne ja im Tsim Sha Tsui Viertel.
A: Du nimmst am besten ein Taxi durch den Westtunnel. Das kostest so 60 HK Dollar (6€) extra Gebühr und dann noch mal so 60 HK Dollar für die Fahrt.
B: Ist okay.
A: Ja, wenn du ins Taxi steigst, rufe kurz durch, ich erkläre dem Taxifahrer, wo er lang fahren soll, die meisten können nur schlecht Englisch.
B: Gibt es denn nur den einen Tunnel rüber nach Hong Kong Island?
A: Nein, es gibt mehrere, deswegen sollst du mich ja auch gleich anrufen, wenn du im Taxi bist.
Die Frage, wie ich später wieder zurückkomme, stelle ich mir jetzt mal nicht.
22.00 h, Hong Kong West
B. ist mit dem roten Taxi durch die Stadt gesaust, nachdem A. mit dem Fahrer auf Kantonesisch gesprochen hat. B. kommt sich vor wie ein Geschenkpaket, das spät in der Nacht noch ausgeliefert wird. Das Taxi fährt so schnell durch den Tunnel, dass B. prompt an Lady Di denken muss. Nachdem B. in den Kurven viermal über den glatten Kunstlederrücksitz gerutscht ist, hat er sich endlich angeschnallt. Eine Polizeistreife winkt das Taxi heraus und der Fahrer guckt B. entsetzt an. Kein Problem Kamerad, sagt B. nur, ich bin längst angeschnallt.
B ruft schon wieder A an.
B:Also der Taxifahrer hat mich jetzt bei einer Kirche rausgeschmissen.
A: Oh nein, das ist völlig falsch! Jetzt musst du wieder zurück zur Queens Road West laufen. Und dann nach links den Berg hoch und dann wieder die dritte rechts… Da ist mein Haus.
B: Oh, da komm ich ja gerade her, ich dachte, du hast das dem Taxifahrer erklärt!
A: Hab ich ja, aber die meisten kommen aus der Provinz und haben überhaupt keine Ahnung.
B. irrt durch die Stadt. Hochhäuser ragen in den Nachthimmel. Es ist kühl. Endlich steht B. vor A’s Hochhaus. B. kramt in seiner Tasche und holt den Zettel mit der PIN Nummer hervor. B. drückt den Code in die Türanlage: CDO17. Durch die gläserne Tür von drinnen schaut grimmig der Doorkeeper. Er Trägt ein weißes Oberhemd, eine blassgelbe Krawatte und ist um die 60. Nichts passiert. B drückt noch einmal den Code und noch einmal, bis der Doorkeeper endlich kommt.
Doorkeeper: Guten Abend, wo wollen Sie denn hin?
B: Zu Herrn A.
Doorkeeper: A? Gibt es hier nicht!
B: Doch, muss es ja geben (als würde der in diesem riesen Klotz alle Leute kennen!)
Doorkeeper: Zeigen Sie mal den Code
B: Hier!
Doorkeeper: Den Code gibt es hier auch nicht! (schaut noch grimmiger und mustert B.)
B: Also dann rufe ich (mal wieder) meinen Freund an!
Doorkeeper: Im 17. Stock wohnt eine junge Frau, wollen Sie zu der? (Doorkeeper schaut zweilichtig)
B: Nein! Ich will zu HERRN A!
Doorkeeper: Den langen Typen?
B: Ähm… ja, der ist schon groß! Also lassen Sie mich doch jetzt mal rein!
B. ruft A an, der geht gottseidank gleich ran und erklärt dem Doorkeeper, wo B. hin muss. Dann fahren der Doorkeeper und B. gemeinsam in den 17. Stock. Die Fahrstuhlfahrt dauert aus der Sicht B’s viel zu lange. Zu sagen hat man sich auch nichts.
Oben angekommen, schiebt A. eine schwere Metalltür zur Seite und öffnet dann die Tür zur Wohnung. B grüßt A wie einen alten Bekannten, auch wenn er ihn davor noch nie gesehen hat. Nur, um vor den Augen des Doorkeepers nicht völlig bescheuert dazu stehen. Der trollt sich von dannen und A. zieht B in die Wohnung.
A: Sorry, dass es dich so viel Anstrengungen gekostet hat. Aber ich hatte doch gesagt CB017! B wie Boys!
B. verzichtet darauf zu sagen, dass er CD017 verstanden hat und erkundigt sich stattdessen, ob denn nun wenigsten das Internet wieder funktioniert.
A: Nein… der Typ muss morgen nochmal kommen, ich hab ihn jetzt rausgeschmissen. Willst du was trinken?
B: Ja, Bier!
A: Okay, ich trinke aber nur Wasser!
B: Kein Problem!
A: Ich kann nicht jeden Tag Alkohol trinken, heute mach ich eine Pause.
B: Wieso trinkst du denn jeden Tag Alkohol?
A: Wegen meines Jobs!
B: Äh? Arbeitest du in einer Kneipe?
A: Nein, ich bin im Entertainmentbereich, das geht’s nicht ohne.
B: Wie, hier in Hong Kong müssen alle Leute im Entertainmentbereich trinken? Du meinst wohl das Feierabendbier?
A: Das auch noch. Nein, ich bin in einer Firma für das Entertainment von Leuten aus dem Finanzbereich zuständig. Die arbeiten den ganzen Tag wie verrückt und brauchen abends dann leichte Unterhaltung.
B: Was heißt leichte…?
A: Na, nur so in bestimmten Trendrestaurants Essen organisieren, weil die immer wieder woanders hinwollen. Und Events zum Wochenende hin, in den großen Hotels und Clubs. Ich kalkuliere auch nur die Budgets. Aber habe eben als Verantwortlicher auch jede Menge Kundenkontakt. Und dann trinkt man schon was.
B: Das heißt, du arbeitest nur nachts?
A: Ja, am Tag arbeiten die ja in der Bank. Was machst du?
B: Oh, ganz was anderes. Ich arbeite in einer kambodschanischen Charity im HIV/AIDS Bereich und bin für die Management- und Programentwicklung zuständig.
A: Das heißt?
B: Ja, das ich meine Kollegen darin unterstütze, ihre Aufklärungs- und Betreuungsarbeit besser zu machen.
A: Ja, hab schon gehört. AIDS ist ein riesen Problem in Kambodscha. Die ganzen Kinderficker aus Thailand sind da jetzt hin gewandert.
B: Ja, aber die werden bei uns jetzt auch verfolgt!
A: Wow, da machst du richtig was Sinnvolles!
B: Naja, wenn du so willst, ist die Arbeit in einer NGO ja immer sinnvoll irgendwie!
A: NG was?
B: Non Government Organization. Sorry!
A: Ist eigentlich gut, was Sinnvolles zu machen! Ich meine, du sammelst gutes Karma.
B: Du nicht?
A: Doch ich auch, ich sammel Geld ein, mein Gehalt. Gutes Karma für mich! Ich könnte nicht wie du 3 Jahre in einer NGO arbeiten und mein Leben opfern. Dann spende ich lieber mal was. Los, ich zeig dir jetzt mal meine Wohnung!
B: Ach so, es gibt nur die Wohnküche hier, und das Schlafzimmer.
A: Und einen eingebauten Kleiderschrank, hier drüben
B: Darf ich dich fragen, was die Wohnung kostet?
A: Klar, 15.000 HK Dollar (1500 €)
B. Aber das sind ja höchstes 35 qm.
A: Ja, Hong Kong ist unglaublich teuer.
B: Ja, hab ich schon gemerkt. Und sag mal, du siehst eigentlich gar nicht so chinesisch aus, wo kommst du her?
A: Aus Hong Kong. Aber meine Vorfahren kommen aus China, Japan und Portugal, ach, nach Macao musst du unbedingt auch noch hinfahren.
B: Wollte ich eigentlich nicht, da gibt es so viele Casinos.
A: Ja aber genau deswegen fährt man dort ja hin.
B: Mensch, da hast du ja in deiner Familie die ganze Geschichte dieser Stadt zusammen.
A: Ja, fehlen nur die Briten, aber da hab ich ja studiert. Und du bist richtig Deutsch?
B: Ja
A: Aber nicht so langweilig, wie die meisten deiner Landleute?
B: Äh?
A: (Lacht) Ich meine vom Klischee her, immer pünktlich, immer diszipliniert, immer völlig direkt, das ist doch langweilig!
B: Na pünktlich war ich heute schon gar nicht!
1 h morgens, immer noch Hong Kong West
B: Oh, es ist spät, ich muss wieder rüber nach Kowloon.
A: Ja, kannst du wieder ein Taxi nehmen, den Weg kennst du ja schon.
B: Gibt es keinen Nachtbus?
A: Doch, unten vor der Tür, sieh mal, (geht zum Fenster und aus dem 17 Stock zeigt A auf einen wartenden Mann mit einem weißen T-Shirt), der will auch nach Kowloon, dort ist die Haltestelle.
B: Supa, schön war‘s… ich geh dann mal. Vielen Dank für das Bier und die Führung durch deine Wohnung (beide lachen)
A: Ja, man sieht sich!
B. denkt, man sieht sich wahrscheinlich nie wieder. Unten auf der Straße ist der weiße Mann verschwunden. Der Nachtbus kommt nicht und als B. den Fahrplan studiert, stellt er fest, dass der letzte Bus bereits um 22.00 h gefahren ist. Dieser Idiot! B. läuft herum und macht ein paar Fotos vom Kiez. Hier sieht Hong Kong noch aus wie die Welt von Suzie Wong. B geht in ein chinesisches Restaurant, in dem der Besitzer Kickboxen im Fernsehen ansieht und eine Zigarette pafft, während sich seine Frau die Haare färbt. B. fragt nach einem Feuerzeug und raucht im Restaurant eine Zigarette. Nach Mitternacht ist das hier offensichtlich kein Problem. Dann steigt B. in ein Taxi.
B: Nach Tsim Sha Tsui, Kowloon, bitte.
Taxifahrer: Durch welchen Tunnel soll ich fahren?
B: Durch den billigsten bitte.
Taxifahrer: Okay, dann nehmen wir den Osttunnel.
Und B. schnallt sich grinsend an.
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