Mittwoch, 21. April 2010
Hong Kong Dialog 4
April 14th, Hong Kong, Yau Ma Tei, Gespräch mit T. in einem Hong Konger Restaurant. T. ist ein kanadischer Englischlehrer, der in den 70er Jahren in Südlaos geboren wurde.
T: Meine Freunde in Hong Kong? Gute Frage! Ich habe eigentlich nur Bananas als Freunde.
B: Bananas?
Die Kellnerin kommt und bringt T und B die Karte.
T: Ja, ach so, dass heißt, außen gelb und innen weiß! (lacht). Das steht für Menschen, die zwar ethnisch wie Asiaten aussehen, aber im Westen großgeworden sind. In Hong Kong gibt es die ABC's and BBC's, also American born Chinese and British born Chinese.
B: Und wieso hast du keine "Mangos" unter deinen Freunden?
T: Mangos?
B: Ja, ich meine außen gelb und innen gelb, deiner Fruchtlogik folgend, du bist doch nun schon sechs Jahre in Hong Kong.
T: Ach so, na ich fühle mich fremd unter ihnen, die sind einfach anders drauf, asiatisch eben. Ich kriege ja schon zu viel, wenn ich einmal im Jahr meine Verwandten in Südlaos besuche. Diese ganzen Begrüßungsrituale, "Sobai Di" und dann die Verbeugung mit den betenden Händen vor den Älteren. Das ist mir schon zu wider! Ich sage einfach „Hello“, das langt doch! Ich mag diesen ganzen Traditionszirkus nicht.
B: Für mich als Westler sind genau diese Traditionen faszinierend. Ich finde die Kulturen hier dadurch viel höflicher und respektvoller als in Deutschland, wo ich herkomme. Was essen wir denn jetzt?
B schaut noch immer nicht in die Karte, die Kellnerin läuft wieder weg.
T: Respektvoller? Na, ich weiß ja nicht. Respekt erfährst du auch nur, wenn du so angepasst lebst, wie die sich das wünschen. Ich sag dir eins, ich bin vor etlichen Jahren zu einem Bruder meines Vaters nach Australien geflogen, wollte da zwei Monate Urlaub machen. Ach so, wir sollten vielleicht mal bestellen, ist eine längere Geschichte.
B: Ich will irgendwas Scharfes und viel Gemüse. Ist mir zu viel Fleisch hier überall.
T bestellt Essen, wobei er kantonesisch redet, aber so schlecht, dass die Kellnerin sich schon lustig macht.
T: Also meine Eltern aus Kanada haben da einen langen Brief geschrieben und mein Kommen angekündigt. Mein Onkel ist schon in den frühen 70er Jahren von Laos nach Australien ausgewandert. Als ich in Australien war, habe ich ziemlich schnell mitbekommen, dass mich meine Cousins aus irgendwelchen Gründen ablehnen. Na, mir war‘s nicht unrecht. Ich bin über das Wochenende dann ganz oft nach Sidney gefahren und hab es dort krachen lassen. Ich lernte neue Freunde kennen und ging in diverse Schwulenbars. Ich hatte meinen Spaß. Nie ist ein Wort darüber verloren worden, und ich dachte, das ist alles okay so. Hatten die halt auch ein freies Wochenende und musste mit mir kein Program veranstalten. Da ruft mich doch eines Tages meine Mutter aus Kanada an und fragt, ob ich nicht früher zurück kommen wolle? Ich sagte, "Bitte???" Ich meine, mir war es nicht unlieb, denn eigentlich habe ich zu der Familie meines Onkels keinen engen Draht entwickelt. Als ich meine Mutter fragte, wieso ich denn nach Hause kommen sollte, sagte sie mir, sie wolle mir das persönlich sagen. Na, ich konnt's mir eigentlich schon denken.
Kaum zu Hause angekommen, sagt meine Mutter mir, dass mein Onkel sich Sorgen machen würde über meinen Lebensstil. Er hat einen langen Brief an meine Eltern geschrieben, weil er sich um den Sohn seines Bruders wirklich kümmern wollte, aber leider sei ich an den Wochenenden immer in den Schwulenbars von Sydney gewesen. Ich habe ja nicht schlecht gestaunt, woher er das wissen konnte, ich meine die leben echt in der Pampa und ich bin immer allein nach Sydney mit dem Bus gefahren. Dachte ich mir jedenfalls. Doch weißt du was? Mein Onkel hat mich nach dem ersten Wochenende gleich beschatten lassen. Der hat echt einen Detektiv angeheuert, der mir nachgestiegen ist und ich Depp hab das nicht mitbekommen.
B und T essen, B stöhnt, es ist jetzt doch zu scharf, seine Suppe ist die roteste in diesem Hong Konger Restaurant.
B: Boohh… ich kann’s kaum essen, es brennt überall. Das war doch die ganzen Tage immer so lasch alles und hier hauen die echt Chili rein… du wie bist du denn eigentlich nach Kanada gekommen aus Laos?
T: Ja, das ist auch so eine verrückte Geschichte. Eines nacht‘s, ich war 6 Jahre alt, reißt mich meine Mutter aus dem Schlaf und bittet mich, jetzt in den nächsten Stunden nicht zu weinen, denn wir würden eine kleine Reise unternehmen. Meine Eltern wirkten so gestresst, dass ich lieber nicht nachgefragt habe, warum wir um Himmelswillen mitten in der Nacht aufbrechen müssen. Später wusste ich, meine Eltern hatten Angst vorm Kommunismus. In Laos herrschte Bürgerkrieg und wir sind deshalb abgehauen.
Ich bekam jede Menge Bonbons, damit ich nicht schreie. Wir gingen dann zum Mekong runter. Dort hatte mein Vater ein kleines Boot und wir stiegen ein und ruderten über den Mekong von Laos nach Thailand. Kennst du die Gegend?
B: Ja, ich war schon in Südlaos, der Mekong ist da ziemlich breit und hat viele Stromschnellen.
T: Genau! Saugefährlich war das. Auf der laotischen Seite hätten uns die Soldaten wegen des Fluchtversuchs sofort erschossen und auf der anderen Mekongseite lauerten die thailändischen Soldaten, die es auf die Flüchtenden abgesehen hatte, denn wer aus Laos abhaut, hatte alle tragbaren Wertgestände wie Geld und Schmuck bei sich. Gottseidank haben uns aber weder die Laoten noch die Thais erwischt, sonst wäre ich vielleicht heute nicht hier. Es war stockdunkel und ich kann mich noch heute erinnern, wie der unruhige Mekong immer wieder über den Bootsrand geschwappt ist...
B: Oh, ich kann’s echt nicht aufessen…
T: Hab ich dir doch gesagt, scharf geht in China für uns Weiße gar nicht…
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