Freitag, 20. November 2009

Im Boot der langsamer werdenden Gefühle








  1. Tag

Ich sehe hinaus, vom Wind bewegt und vom Motor des Bootes, dass mir am Morgen noch vorkam, wie ein alter gestrandeter Wal, schlafend an den Ufern des Mekong. Es ist unglaublich eng. Ich sitze neben einer schwedischen Zahnärztin, die mich fragt, ob es im Mekong noch Krokodile gibt. Hinter uns trinkt eine grölende Gruppe aus Liverpool Lao-Bier, noch sehr jung und schon so betrunken. Ich frage die Schwedin, wieso Klischees eigentlich so oft stimmen? Sie schaut schmunzelnd die betrunkenen Briten an und sagt, dagegen hilft nur eins: Einfach mitmachen! Ich hatte nicht wirklich damit gerechnet, dass sie sich mühsam empor wuchtet, ihrer noch schwereren Freundin ein Zeichen gibt und 5 Minuten später mit drei Flaschen Bier zurückkommt. „Ja, Prost! Auf einen schönen Urlaub!“ Es ist 10.00 h morgens.

Die Fahrt auf dem Mekong mit dem Slowbout von Hauy Xai nach Luang Prabang dauert zwei Tage. Die Tour ist Höhepunkt jeder Indochina-Reise. 470 Km auf dem Mekong, und seinen braunen Felsen, an denen sich gurgelnd das Wasser bricht.

Vorbei an scheinbar unberührten Dschungeln, deren würzige Düfte sich immer wieder mit Zigarettenrauch mischen.

Niemand lässt sich abschrecken von den engen, harten Sitzbänken, die man auch noch mit einem anderen Passagier teilen muss und der Aussicht, hier 10 Stunden pro Tag festzustecken. Da sitzt der Käsehersteller aus Australien, der gestern Abend noch verkündet hatte, er müsse auf jeden Fall mit dem Speedboat reisen, weil sonst 67 Angestellte am Montag in einer Woche vergeblich auf ihr Gehalt warten. Keine Zeit hatte er. Und nun ist er doch hier. Eingezwängt neben der smarten, 37 jährigen Anwältin aus Berlin, die gerade ihren Vorstandsjob gekündigt hat, weil sie Platz, Zeit schaffen wollte, für die Sehnsucht nach einem anderen Leben in ihr. Entschleunigung tut manchmal weh!

Sperrt man 180 Touristen, darunter 10 laotische Reisende in einem Slowboat zusammen, sind die Gesprächsthemen erst einmal vorbestimmt. Zumindest unter den 170 Westlern (Südkorea, Singapur, Taiwan und Japan eingenommen). „Und wo wollt ihr hin?“ „Ach, wir wollen nach Hanoi und dann weiter nach Saigon!“ Die beiden deutschen Bachelor Business Studentinnen fragen die 3 Holländer aufgeregt: „Wie, ihr fahrt auch nach Angkor Wat? „Wie teuer ist das Visa?“ Habt ihr schon ein Zimmer für die Nacht?“

Wieso hatte ich eigentlich Joseph, dem Theatermacher aus Holland versprochen, nicht das Speed-, sondern das Slowboat zu nehmen? Das war noch im September. Wir saßen in einem schönen Phnom Penhner Restaurant, und der warme Abend spielte mit den gezackten Blättern der Palmen. „Ja, auf jeden Fall nehme ich das Slowboat!“ Doch die Enge, der Lärm, und die vielen Menschen gehen mir jetzt auf den Geist.


  1. Tag

Die Frau, die vor mir sitzt, habe ich schon den ganzen Morgen beobachtet. Manche Menschen leuchten. Ihre blonden Haare wehen im Wind. Ihre grünen Augen hängen an den satten, bewaldeten Bergen, über die elegisch langsam der Morgennebel kriecht. Durch ihre Finger wandert eine Kette mit maronenfarbenden Steinen, die so weich schimmern, als wäre der Mekong schon Tausend Jahre über sie hinweg geschliffen. Die Frau ist vielleicht 60 Jahre alt und noch immer unglaublich schön.

Das Slowboat ist wie eine Bühne. Doch heute wird ein anderes Stück aufgeführt. Alle lächeln, lauschen, hängen den sandigen Ufern nach. Sanft hat sich die Landschaft aufs Gemüt gelegt. Das Rollen der Wasser unter dem Kiel, das Tuckern des Motors, selbst die Briten sind hinter ihren Sonnenbrillen eingedöst. Freundschaften werden geschlossen. Essen wird geteilt. Die gehetzten Fremden von Gestern haben sich in größter Ruhe gefunden. Ich biete der Frau meinen Apfel an. Sie spricht deutsch. Wir machen uns bekannt. Reden leise. Irgendetwas ist besonders. Ich frage sie, wo sie herkommt. Sie lacht und sagt, sie lebe seit 4 Jahren in einem indischen Aschram!

Wir reden Stunden. Über diese Welt und über jene. Über die Palmenblattsammlung und Buddha, über Karma, Schakren, Sinneswahrnehmungen und Jesusenergien, über Prozesse von Heilung, über Licht. Und manchmal reden wir nichts. Lassen unsere Seelen lächelnd los, folgen einem auffliegenden Vogel und sehen das Wasser glitzern, draußen auf dem Mekong.



PS. Mit dem Slowboat von Hauy Xai nach Luang Prabang für 200.000 Kip (20 US $), das Boot verkehrt täglich, es empfiehlt sich aber nicht nur ein dickes Sitzkissen, sondern auch geeignete Gesprächspartner auszusuchen, denn dann kann es kaum eine schönere Reise geben...

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