Freitag, 28. Januar 2011
Myanmar 3: Das Gold der Shwedagon
December, 27th, Shwedagon Pagoda, Yangon, Myanmar
Irgendetwas passiert mit dir. Plötzlich wirst du erfasst, von einer – Worte fallen dir dafür nicht ein – von einer Stimmung. Erfüllt von einer Anmut, die du niemals zuvor erfahren hast!
Es ist noch immer heiß an diesem Dezembertag, der sich mit einem späten Licht zu verabschieden beginnt. Barfuß pilgere ich über warme Marmorplatten, vorbei an einem Menschenstrom, der sich aus allen Kontinenten zusammensetzt. Der goldene Stupa ist kein Turm zu Babel, doch das Gewirr der Sprachen und die Heiligkeit des Ortes lassen mich unweigerlich daran denken, dass Menschen schon immer die Sehnsucht hatten, den Göttern nahe zu sein. Und vielleicht ist dieser alte Traum der Menschheit wirklich nur einmal aufgegangen, auf diesem Hügel in Yangon, der alten Hauptstadt von Myanmar.
Wir wandern links herum. Heiligen Orten in Asien zeigt man so seinen Respekt.
Forscher glauben, dass der Stupa irgendwann zwischen dem 6. und 10. Jahrhundert durch das Volk der Mon erbaut wurde, aber diese Datierung ist umstritten. Möglicherweise verfiel der Stupa im Lauf der nächsten Jahrhunderte. Könige in Asien hatten oft eine Abneigung den Bauten ihrer Vorgänger gegenüber, von denen nicht wenige unfreiwillig starben. Die ersten halbwegs glaubwürdigen Berichte über den Stupa stammen vom Ende des 14. Jahrhunderts, als der Mon-König Binnya U im Jahr 1372 die Pagode errichtete oder, wie man auch sagen könnte, wieder aufbaute. Schon ein halbes Jahrhundert später stürmte mit dem König Binyagyan der Stupa gen Himmel und seine Spitze erreichte die seinerzeit ungeheure Höhe von 90 Metern.
Ihre jetzige Höhe von 98 Meter erlangte die Shwedagon unter König Hsinbyushin aus Ava im Jahre 1774. Die Königin selbst stiftete ihr Körpergewicht in Gold für die Verkleidung der Pagode. Blutiges Gold, so wird zürnend in Thailand noch heute berichtet, Tempelgold aus der damaligen thailändischen Hauptstadt Ayutthaya, die 1767 den Burmesen nach längerer Belagerung in die Hände viel. Als Thailands alte Hauptstadt, deren Reichtum damals mit Städten wie Amsterdam und London verglichen wurde, einer nie zuvor dagewesenen Plünderung, Brandschatzung und Vernichtung zum Opfer fiel, wächst kurze Zeit später der goldene Turm von Burma in ungeahnte Höhen.
Wollten seine Erbauer dem Krieg und seinen Flüchen, Schreien und seinem Entsetzen ein göttliches Ende bereiten? Dem grauenhaften Horizont als Vertikale entweichen, triumphieren oder um Vergebung flehen? Der Stupa als vom irdischen Leiden Unberührbarer?
Yangons Shwedagon Pagode auf dem Hügel im Norden der Stadt ragt seit Jahrhunderten, strahlend und erhaben, aus Burmas Geschichte, wie eine weiße Lotusblüte aus dem braunen, schlickerigen Sumpf.
Ich kann mich vor keinem Heiligtum verbeugen, das von Kriegen erzählt! Doch Burma liegt hier auf seinen Füßen, opfert, betet und fleht.
Krähenschwärme fliegen auf. Krächzend jagen sie über die Spitzen der 60 kleinen goldenen Stupas, die den Hauptchedi umgeben. Metallisch blau und schwarz schimmern ihre Flügel, mit denen sie flatternd eine Unruhe in den Abend bringen. Dort, auf 30 Metern Höhe, wo drei quadratische in achteckige Terrassen übergehen, bevor sie sich in fünf runden Terrassen verjüngen, dort wo so vollkommen der Übergang von einer quadratischen zu einer runden Form gelingt, und symbolisch der buddhistische Wandel von Werden und Vergehen, Leben und Tod angedeutet wird, ziehen die Vögel des Übergangs ihre Bahn. Als kannten diese schon immer ihren Ort.
„I began to see why the Buddhists regarded crows as sacred birds, symbols of transistence and decay. Their sacredness comes from their exceptional sence of danger, especially danger of death, and because they will eat corpes. In Buddhist tradition they are messengers of death.“
(Pascal Khoo Thwe: „From the land oft the green ghosts“, New York/London, 2002)
Die Shwedagon Pagoda wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrmals von schweren Erdbeben beschädigt. Die schlimmsten Schäden entstanden durch das Erdbeben von 1768, bei dem die Spitze des Stupas einstürzte. Ein neuer Hti (Ehrenschirm an der Spitze) wurde durch König Mindon Min im Jahr 1871 nach der Annexion von Zentralburma durch das Britische Imperium gespendet. Und noch ein weiteres Mal, 1970, beschädigte ein weiteres Erdbeben den Hti stark.
Auch für die burmanische Freiheitsbewegung ist die Shwedagon ein wichtiger Versammlungsort. 1920 revoltierten Studenten gegen die britische Kolonialregierung und wurden hier blutig niedergeschlagen. Der Hügel wurde kurze Zeit später in eine waffenstarrende Festung verwandelt, doch den Gang der Zeit konnten die Geschütze nicht mehr aufhalten. Burma wurde 1948 unabhängig. Und Aung San Suu Kyi, Burmas Oppositionsführerin und Friedensnobelpreisträgerin, hielt hier ihre erste öffentliche Rede.
Jemand zupft an meinem Arm. Es ist eine Stunde vergangen. Ein junger Mönch aus Thailand, so sagt mein burmesischer Freund, hat noch kein Obdach für die Nacht. Die letzten Sonnenstrahlen tauchen das Gold des Stupas in ein warmes, magisches Licht und zwei Reihen von Lotusblüten, die erste nach unten und die zweite nach oben zeigend, scheinen jetzt unterhalb seiner Spitze zu flirren. Der junger Mönch, 20 vielleicht, und des Englischen kaum mächtig, hat sich an einen Wachmann gewandt, nur um in Erfahrung zu bringen, dass es ausländischen Mönchen im von der Militärjunta beherrschten Burma nicht erlaubt ist, in buddhistischen Klöstern zu nächtigen. Und der Wachmann fragte meinen Freund und dieser dann mich, und so stehen wir vor der heiligen Shwedagon und sind wieder mit profanen Dingen beschäftigt.
Ja, sage ich, natürlich können wir den Mönch später mit nach Downtown nehmen, und ein preiswertes Hotelzimmer suchen. Der thailändische Mönch, so wird sich schon bald herausstellen, hat gedacht, er könne in meinem Hotelzimmer schlafen.
Der Wachmann, davon beseelt, so schnell eine Lösung gefunden zu haben für den buddhistischen Gast, nimmt mich zur Seite und sagt, er möchte mir nun etwas zeigen, denn nicht nur dieser Augenblick jetzt sei gut, sondern auch ich. Ein guter Mensch, murmelt er. Schon zieht er mich gen Süden, an kleinen Tempeln vorbei. Er sagt, ich solle mich jetzt hierher stellen, an diesen Rand. Genau hier! Und umdrehen und hinauf sehen! An dieser abwegigen Stelle stehe ich in diesem Augenblick allein. Meine Augen wandern nach oben, an der mit Goldplatten belegten Bananenblüte vorbei, dem obersten Teil des Chedi, auf dessen Spitze der Hti montiert ist, der goldene heilige Schirm.
Er sagt, Lotusblüte und Bananenblüte seien mit 13.153 Goldplatten gedeckt. Allein das Gewicht der Goldplatten wird auf 60 Tonnen geschätzt, an der Spitze befindet sich ein 76-karätiger Diamant. Der zehn Meter hohe und siebenstöckige Hti besteht aus Eisen und ist mit sieben vergoldeten Ringen verziert. Er wiegt über eine Tonne. Daran schließt sich eine Wetterfahne an, vom Wind bewegt und mit tausenden Diamanten, Rubinen und Saphiren verziert. In der Wetterfahne und im Hti befinden sich zusammengenommen 5451 Diamanten mit mehr als 2000 Karat Gewicht.
Er schiebt mich weiter, wenige Schritte über den Marmorboden, darauf bestehend, dass ich fortwährend nach oben blicke, schiebt mich strategisch wie ein Spieler seine beste Schachfigur. Und sagt, ich müsste ES jetzt sehen, das Wunder von Myanmar. Den großen Rubin zuerst, der in fast 100 Metern Höhe blutrot im Licht der tiefstehenden Sonnenstrahlen funkelt. Und dann, einer glühenden Sternschnuppe gleich, den gelben Citrin. Und wieder schiebt er mich, diesmal nur wenige Zentimeter und es funkelt ein blauer Saphir so stark, so gleißend, als wäre er nicht von der untergehenden Sonne, sondern von einem Laser angestrahlt. Explodierende Farben, ein flirrendes Leuchten und Glimmen, ein Regenbogen, ein lautloses Lichtspektakel, das ich noch nie in meinem Leben sah. Schon verglüht ein riesiger Smaragd in einem kalten Grün. Er nimmt meinen Kopf in die Hände, ich habe mich schon längst ergeben. Bückt mich, dreht mich, und flüstert in mein Ohr, sieh noch einmal hinauf zum goldenen Schirm. Dort funkelt er, der letzte Stern, ein Amethyst, hinter dessen glitzerndem Violett die Sonne, so scheint es, für immer untergeht.
Benommen, betäubt werden wir später im Taxi sitzen, der Mönch zwischen uns. Ein billiges Hotel in Chinatown aufsuchen und mit dem Eigentümer einen Preis verhandeln. Das Zimmer wird kein Fenster haben, wie die meisten in den asiatischen Absteigen. Der Mönch wird uns anstarren. Er wird erst jetzt verstehen, dass wir weitergehen.
Die unbeschreiblich schönen Lichtbrechungen der Edelsteine der Shwedagon sind nur wenige Minuten kurz vor Sonnenuntergang und nur an bestimmten Tagen zu beobachten. Man muss im südwestlichen Außenbereich auf der Hauptterrasse stehen und sollte versuchen, den guten Willen eines ortskundigen Führers/Wachmannes auf sich zu ziehen…
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1 Kommentar:
Huhu, Schätzchen, wo bist Du? Haben Dich die Khmer Rouge weggefangen? Versuchen Dich auch schon anderweitig per Mail zu erreichen!!! Melden, sonst müssen wir das Rote Kreuz einschalten und dich international zur Fahndung ausschreiben??? Gruß und Kuss von Robert & Frank
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