Unter Männern gibt es fast keine Ausnahmen. Selbst ein buddhistischer Mönch, der mir von einer ärztlichen Konsultation berichtet, nachdem er mehrere Tage Kopfschmerzen hatte, legt seinen Arm auf den meinen. Und mein Arm liegt auf dem Tisch. Der Arzt, so der Mönch, hätte sich unter anderem auch nach seiner letzten Ejakulation erkundigt. Ich horche erstaunt auf! Wieso haben Kopfschmerzen mit Samenerguss zu tun? „Ja Bruder, der Arzt hat mich gefragt, ob ich mir selbst auch Freude bereite, aber das ist mir als Mönch ja verboten. Doch wenn es kommt, einfach so im Traum, weil ich an eine schöne Frau denke, dann will es die Natur so, kein Problem!“
Wenn sich Männer in Kambodscha berühren, sind sie, anders als in westlichen Gesellschaften nicht dem Verdacht ausgesetzt, dass sie sich vielleicht zu gern haben könnten. Schon allein der Gedanke, sie könnten Anstoß erregen, erscheint anstößig. Sie sind Freunde, sie haben sich gern. Sie sind normal, denn das Unnormale gibt es nicht. Schamgefühle entstehen erst, wenn es Identität gibt, die sich aus Abweichung konstruiert. Aber wo es in der öffentlichen Kultur keine in den Diskurs geratene, abweichende Identität gibt, noch nicht – denn die westlich geprägte Emanzipation schreitet auch hier voran – können sich kambodschanische Männer noch mit großer Wärme als Gemeinschaft fühlen, sich ihre Zuneigung zeigen, die natürlich eine Grenze hat.
Traditionelle Kulturen erscheinen uns Westlern wunderbar natürlich und unglaublich warm. Und doch gilt die hier legitime, beschriebene Welt der Berührungen nur für das gleiche Geschlecht Die öffentliche Darstellung desselben Verhaltens, Frauen gegenüber, ist in Kambodscha fast immer noch Tabu. Die Grenzen sind scharf gezogen. Und ein sich in der Öffentlichkeit küssendes Paar steht hier schnell im moralisch bedenklichen Niemandsland. Es ist genauso undenkbar, dass ein junger Mann zuerst einen älteren anfasst, oder ein Statusniederer einen Höherstehenden. Es herzen sich Statusgleiche oder die Berührung kommt von oben!
Am Strand laufen zwei junge Männer Hand in Hand. Sie unterhalten sich, lachen und springen, jagen mit dem Wind und den Wellen über den weißen Sand. Im Strandcafe sitzt ein Kambodschaner auf den Schenkeln eines Freundes, und sie sehen zu, minutenlang. Männer in Kambodscha trinken zusammen, im Überlandbus legen sie ihre Köpfe aneinander, schlafen im selben Bett, Männer in Kambodscha tanzen miteinander und das stundenlang.
Lege ich meinen Arm auf die Schulter eines Freundes aus Frankreich, wird dieser so schwer. Als wollte mein Arm mich erinnern, an die Verhaltensregeln der Weißen, unsere geliebte Freiheit und ihre bleischwere Kultur der Distanz.
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