Dienstag, 13. Oktober 2009

Neulich in Phnom Penh 1



„Ach, ich wusste gar nicht, dass du auch Ameisen isst!“ Die deutsche Gastgeberin sitzt links neben mir und rempelt mich lachend an… „He likes ants! He likes ants! He is a real Khmer!“ Ihr Geschrei geht im Getöse der Tischgespräche unter, dass sich nach einigen Runden Angkor-Bier - wie zu erwarten war - dann doch noch eingestellt hatte.

Als ich kurz nach 6pm ins Restaurant kam, waren erst wenige Gäste da. Und da ich mit meinen 43 Jahren und meinem Status als Ausländer in der kambodschanischen Respektkultur ganz oben schwebe, grüßten mich die 4 Kambodschaner mit ihren schlapp 20 Lenzen förmlich, wie sich das in Kambodscha so gehört. Und danach saßen wir schweigend beieinander, fremd und von überdimensionalen Fernsehern beschallt, in denen kambodschanische Boxer das Äußerste gaben. Gegen halbsieben war der Tisch voll. 22 Gäste, darunter 3 Ausländer. Mit Rücksicht auf meine, in Kambodscha lebenden, deutschen Blogleser werde ich das hier nicht öffentlich kommentieren, warum die einen Deutschen in Phnom Penh sich abends lieber mit ihres gleichen amüsieren, weit entfernt von diesem Gelage hier, und die anderen schon so weit in Kambodscha angekommen sind, dass sich gar keinen anderen Ausländer mehr an den Tisch trauen! „Wieso hast du denn keine Leute aus der deutschen Community eingeladen?“, frage ich die Gastgeberin, die mit diesem Farewell-Dinner ihren Ausstand nach 6 Jahren Phnom Penh gibt. „Ach, die sind alle so pikfein und spaßresistent, die würden nie in so ein Restaurant kommen!“ Und schon schenkt die Gastgeberin Angkor-Bier nach, obwohl mein Glas noch ganz voll ist. „Danke, ich hab ja noch…“ Wieso muss man sich hier eigentlich hier so die Kante geben? Kann man in Phnom Penh als Ausländer auch zwischen diesen beiden Extremen leben?

Dabei hatte ich gerade so ein äußerst bewegendes Gespräch. Rechts neben mir nämlich, sitzt ein 28jähriger Kambodschaner, der sich für meine Arbeit als Berater in meiner NGO interessiert. Und als ich erzählte, dass in meiner NGO buddhistische Mönchen und Nonnen arbeiten, da leuchteten seine Augen auf. Er sagte, seine Mutter würde seit einigen Jahren als Achar (buddhistische Laienschwester) durch Kambodschas Provinzen ziehen. In ein weißes Tuch gehüllt, hält sie sich in unterschiedlichen Pagoden auf und redet mit den Menschen. Sie macht das, weil sie von Schuldgefühlen geplagt Versöhnung stiften will. Sie, nur sie allein, hat von ihrer Familie den Terror der Pol Pot Zeit überlebt und findet seit dem in ihrem Leben keinen Sinn. Irgendwann erkannte sie, dass Meditation helfen kann, das Trauma zu überwinden, mit dem vor allem die älteren Generationen täglich leben müssen. In einer Gesellschaft, die sich nicht erinnern will und deren Regierung einer öffentlichen und emotionalen Aufarbeitung die größten Steine in den Weg rollt, leben Opfer neben Tätern und manchmal sogar im gleichen Haus. Was sie verbindet ist alles, außer Zuneigung; was sie trennt, ist die Unfähigkeit, einander zuzuhören und zu vergeben. Umso größer ist meine Achtung vor jungen Menschen, die sich in dieser schizophrenen Situation zu Wort melden und sich dem Erzählen ungehörter und unerhörter Geschichten verschrieben haben. So auch Sambas, der einen Videofilm gemacht hat über seine meditierende Mutter, auf die er stolz ist. Es ist ein Kurzfilm. Er zeigt die Techniken der Selbstbesinnung. Er will in einem Monat nach Japan reisen, hat auch schon einen Sponsor gefunden. Er will in Japan seinen Film zeigen und die Geschichte seiner Mutter erzählen. Und er will, dass sich die Japaner mehr in Kambodscha engagieren. Geschichten erzählen und Geschichte aufarbeiten. „Deine Ameisen sind jetzt schon ganz kalt!“ Die Gastgeberin ätzt mal wieder. „Ach ja… sind übrigens die ersten meines Lebens! Hab noch nie welche gegessen.“

Hätte ich gewusst, dass sich unter dem kandierten Schweinefleisch und den Kokosraspeln gebratene Ameisen verbergen, hätte ich diesen Teller nie berührt. „Und schmeckt es?“ Sambas sieht mich grinsend an. „Ja“, sage ich. Wahrscheinlich ist es aber manchmal auch ganz gut, dass man nicht alles weiß…

Freitag, 2. Oktober 2009

Durch den Monsun!





„Nein, nein, das ist schon okay! Wir können uns gerne um 8pm im burmesischen Restaurant treffen! Sind doch noch zwei Stunden hin“ Mein Freund am anderen Ende der Telefonleitung zögert einen Moment. „Ach kein Problem. Bis dahin ist das Wasser wieder weg!“ Menschen, die neu nach Phnom Penh kommen, können es immer gar nicht glauben, dass man sich trotz der nachmittäglichen Monsunflut abends wieder verabreden kann. Ich sage dann noch frech, du kannst mich ja gerne am Pier 322 abholen. 322, das ist nämlich meine Straße. Derzeit eine Wasserstraße (siehe Foto). Und das Restaurant ist gleich in der Nachbarstraße, quasi am nächsten Kanal! 
Ich bin heute mal wieder übermütig!
Dabei hatte ich vor einer Stunde selbst Fracksausen. Ich war gerade dabei, meinen Computer in der NGO runterzufahren, als ich mich wunderte, wieso alles schon wieder so dunkel ist. Ein Blick durchs Fenster hinaus, und, ja klar… fette, schwarze Wolken. Meine Kollegen wuseln sich eilig in ihre Regenmäntel, denn entweder sie sind vor 5pm schon auf der Straße und schippern nach Hause oder sie versauern bis 20.00 h in der NGO – und das am Freitagabend.
Es kracht 5 Minuten später und die Himmelspforten öffnen sich. Es blitzt, windet und donnert und krachend schütteln sich die Wolken aus. Das geht von einer Sekunde zur anderen. Da gibt es nicht erst kleine Tröpfchen, die sich dann langsam in einen ordentlichen Regen steigern. Nein, das ist so, als würde man eine Dusche anstellen, deren Wasserdruck so hoch ist, wie man sich das in einem ordentlichen Wellness- Hotel in Deutschland mit Wassermassage nur wünschen kann. Guttemperiert und dabei kostenlos! Ich sage meinen Freunden ja immer, die irgendwie alle schon gehört haben, dass die Zeit vom November bis Februar die beste Reisezeit in Kambodscha ist… dass auch andere Monate ihre Vorzüge haben. Wer sich dem Studium der Naturgewalten verschrieben hat, der sollte doch ruhig mal zwei Monate früher kommen. Ich war zum Beispiel vor einem Jahr in der Weltkulturerbe-Stadt Hue in Zentral-Vietnam und konnte dank Monsun die heiligen Stätten der vietnamesischen Kaiser ganz allein besuchen. Ich erinnere mich noch an den Aufstieg der weltberühmten Himmelstreppe zur Begräbnisstätte eines Kaisers. Leider konnte ich keine Fotos machen, denn ich brauchte meine Hände, um mich wegen des reißenden Wassersturzes, der mir entgegen kam, an den nächsten Stufen festzuhalten, und nicht wie bei einer dieser hochaktuellen Wassersportarten wieder den Wasserfall hinunterzusausen. Auf meinem Hintern und nicht im Kanu sitzend, versteht sich. Man kann das auch Wassertaufe nennen! Die jungen Kambodschaner lieben den Monsun. Sie jagen mit ihren Mopeds durch die Stadt, was dazu führt, dass man trotz metergroßem Regenmantel auch von unten nass wird. Denn es spritzt ja hoch. Aber mit der richtigen Einstellung und mit kleinen Vorkehrungen (alle elektronischen Geräte in Plastiktüten wickeln) kommt man durch. Heute haben sogar mein neues ELEKTRO-BIKE und mein I-Touch den Monsun-Test bestanden. In Hongkong, wo ja mittlerweile 40 % der Bewohner mit einem Elektrobike unterwegs sind, regnet es ja auch immer so doll. Hier in Phnom Penh gibt es – glaube ich erst 4 Stromräder – und die werden ausnahmslos von Ausländern gefahren. Ich gehöre natürlich auch dazu. Für mich ist das tägliche Umwelterziehung. Lass sie doch lachen oder staunen. Mit einer Irritation fängt ja immer das Lernen an. Heute habe ich unter meinem Regenmantel sogar ein Liedchen gehört. Wollte mir wegen des Monsuns doch nicht die Heimreise versauen lassen. Wie das Lied heißt? Es ist von Tokiohotel aus Deutschland, und es heißt: DURCH DEN MONSUN!
So, jetzt schwimm ich mal ins Restaurant… sicher gibt’s Fischsuppe! 

PS1. Der Taifun vor 3 Tagen hat um Phnom Penh einen großen Bogen gemacht! Sonst hätte ich sicherlich einen ganz anderen Text geschrieben…
PS2: Fotos habe ich alle vor meinem Haus gemacht...